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JOHN SILVER

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AUTOR: Robert Louis Stevenson

TITEL: Die Schatzinsel

(aus dem Englischen von Heinrich Conrad)

ORIGINALFASSUNG: 1881


»Mit einem wilden Schrei griff John nach einem Baumast, riß die Krücke aus seiner Achselhöhle heraus und wirbelte das Wurfgeschoß durch die Luft. Es traf den armen Tom mit der Spitze mitten auf den Rücken zwischen die Schulterblätter. Seine Hände flogen in die Luft, er stöhnte kurz auf und fiel auf sein Gesicht.

Was für ein perfekter Bösewicht, was für ein archetypischer Pirat! Der Lange John Silver, oder Long John, wie er auch in der Übersetzung genannt wird, hat alle Schrullen, die man sich für einen sinistren Seemann so vorstellt, und wahrscheinlich ist er überhaupt der Grund dafür, dass man sich die Seeleute so vorstellt.

Da wären einmal die schiere Muskelkraft, die Holzkrücke und das fehlende Bein, der angeblich 200 Jahre alte Papagei auf der Schulter, der immer wieder »Piaster! Piaster!« krächzt, der im englischen Original ziemlich ausgeprägte Slang und das oft umständliche Philosophieren – hier haben wir einen Schurken, der seine Bösartigkeit keineswegs eingesteht, sondern immer politisch herumlaviert, um sein Handeln im Lichte der Gerechtigkeit darzustellen. Dass man ihn zum Kapitän gewählt habe, nachdem Smollett »desertiert« sei, klingt auch besser als das hässliche Wort »Meuterei«, und »Glücksgentlemen« ist ein milder Euphemismus für »Pirat«.

Dank seiner rhetorischen Fähigkeiten gelingt es John auch immer wieder, trotz seines furchterregenden Rufes – den sogar der legendäre Captain Flint fürchtete –, auf Schiffen anzuheuern, in diesem Fall als Koch des Expeditionsschiffs Hispaniola zur titelgebenden Schatzinsel, die er längst kennt, weil er dabei war, als der Schatz dort vergraben wurde. Ein Teil der Männer schließt sich ihm bereitwillig an, weil er ihnen ein gutes Gefühl gibt: John Silver, der Populist.

Seine dunkle Seite kommt auch nur sehr zweckgebunden zum Vorschein. Zwischendurch aber führt der gnadenlose Räuber und Mörder ein geradezu bürgerliches Leben und mit seiner Frau eine Gastwirtschaft. Als Ich-Erzähler Jim ihn zum ersten Mal sieht, meint er: »(…) und ich glaubte zu wissen, wie ein Pirat aussähe – jedenfalls nach meiner Meinung ganz anders als dieser reinliche freundliche Schankwirt.« Dass Silver intelligenter ist als der gewöhnliche Matrose, zeigt sich auch daran, dass er mehr verträgt: Er trinkt gut und gerne, aber nie so maßlos, dass ihm der Rum den Verstand raubt.

Robert Louis Stevenson wollte eine reine Männergeschichte schreiben, mit einem genialischen Fiesling im Zentrum. Die Figur des Long John gelang ihm, indem er einen guten Freund (den Dichter William Ernest Henley) zum Vorbild nahm und all dessen positive Eigenschaften abzog. Das kam so gut an, dass Long John Silver seither ein Eigenleben entwickelt hat. In über 20 Verfilmungen (nicht immer eindeutig als Antagonist) und Popsongs wurde er porträtiert, und sogar eigene literarische Fortsetzungen und Spinoffs schrieb man ihm. In den USA ist sogar eine Fast-Food-Kette nach ihm benannt. ■

BEINAME: Der Lange

BERUFE: Schiffskoch, Wirt

FAMILIENSTAND: verheiratet

STÄRKE: Trinkfestigkeit, Rhetorik

SCHWÄCHE: Gier

ANZAHL DER BEINE: INTELLIGENZ: FILMDARSTELLER: Orson Welles, Tobias Moretti

Das Buch der Schurken

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