Читать книгу Das Buch der Schurken - Martin Thomas Pesl - Страница 22

SCHIR KHAN

Оглавление

AUTOR: Rudyard Kipling

TITEL: Das Dschungelbuch

(aus dem Englischen von Gisbert Haefs)

ORIGINALFASSUNG: 1894


»(…) Was für dummes Zeug redest Du da von Deinem Belieben? Bei dem Ochsen, den ich soeben gewürgt habe, soll ich hier mit der Nase in der Höhle eines jämmerlichen Hundes stehen, um das zu verlangen, was mir gebührt? Es ist Khan, Schir Khan, der mit Dir spricht!«

Des Tigers Geheul erfüllte die Höhle mit rollendem Donner. Mutter Wolf schüttelte ihre Jungen von sich ab; sie sprang vorwärts, und ihre Augen, wie zwei grüne Mondsicheln, starrten auf die beiden glühenden Kohlen im gewaltigen Kopf von Schir Khan.

Vergesst den Disney-Film. Na gut, vergesst ihn nicht. Ihr könnt ihn nicht vergessen. Und die Geschichte à la Rudyard Kipling ist ja auch sehr Disney: Tiger trennt kleinen Jungen von seinen Eltern, macht ihn dadurch gewissermaßen zum Waisen und kann nicht verwinden, dass er ihn nicht auch erwischt hat. Kleiner Junge wächst bei Wölfen auf, tanzt fröhlich und wird von allen (Python eingeschlossen) gemocht, rächt sich schließlich in großem Showdown an Tiger.

Man könnte das natürlich auch so sehen: Vielleicht hatte Schir Khan einfach Hunger? Vielleicht ist sein Antagonismus ein Symbol für die Rache der Natur am Eingriff des Menschen? Nur so ein Gedanke, der natürlich nicht sehr Disney ist und, weiter zurückgedacht, auch nicht zu einem Autor passt, der Geschichten für den allerliebsten Liebling schreibt. Ein klassischer Bösewicht also, furchterregend und mit Gebrüll, aber auch typisch mit einem Handicap: einem gelähmten Bein.

Das Wort »schir« bedeutet »Tiger« auf Persisch, »khan« wiederum ist der Herrscher in diversen Paschtu-Sprachen. Manchmal jagt und tötet Schir Khan Menschen einfach so zum Zeitvertreib, wohl aber auch um anzugeben, denn bis auf den Schakal Tabaqui nimmt ihn seltsamerweise niemand im Dschungel so richtig ernst, obwohl er, von der eigenen Mutter als Lungri (»der Lahme«) verspottet, doch selbst der Meinung ist, der König der Tiere zu sein. Wieder ein Klassiker: das Kindheitstrauma, die narzisstische Kränkung.

So wird Maugli (auch Mowgli oder Mogli) also zu seiner Nemesis, und umgekehrt. Über die Jahre bereitet Schir Khan seinen großen Schlag vor, verspricht den jungen Wölfen Belohnungen für Mauglis Auslieferung und die Schwächung ihres Anführers Akela. Bevor es dazu jedoch kommen kann, enthüllt der kleine Mensch zwei Nachteile der großen Katze: Angst vor Feuer und – eine nachvollziehbare Schwäche – absolute Chancenlosigkeit gegen eine Horde Büffel. Und so heißt es in einer der letzten Maugli-Geschichten recht ungerührt: »Wegen Schir Khan brauchte sich niemand mehr Sorgen zu machen. Er lag breitgequetscht auf dem Boden und die Gabelweihen schossen pfeifend aus dem wolkenlosen Himmel, um ihre Beute zu beanspruchen.«

Und das ist nun wirklich nicht Disney. Disney ist: ein brennender Ast, an den Schwanz des panisch vor sich selbst davonlaufenden Tigers gebunden (Teil 1), oder ein Geier, der dem gedemütigten Raubtier auf die Nerven geht (Teil 2). ■

NAMENSBEDEUTUNG: Tigerkönig

GATTUNG: Tiger

HERKUNFT: Indien

BESONDERES KENNZEICHEN: Gehfehler

ACHILLESFERSEN: Feuer, Büffel

SIDEKICK: Tabaqui, der Schakal

LIEBLINGSSPEISE: Maugli

ERZFEIND: Maugli

Das Buch der Schurken

Подняться наверх