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HOLLÄNDER MICHEL

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AUTOR: Wilhelm Hauff

TITEL: Das kalte Herz

ORIGINALFASSUNG: 1827


» Auf mehreren Gesimsen von Holz standen Gläser mit durchsichtiger Flüssigkeit gefüllt und in jedem dieser Gläser lag ein Herz, auch waren an den Gläsern Zettel angeklebt und Namen darauf geschrieben, die Peter neugierig las; da war des Herz des Amtmanns in F., das Herz des dicken Ezechiel, das Herz des Tanzbodenkönigs, das Herz des Oberförsters; da waren sechs Herzen von Kornwucherern, acht von Werboffizieren, drei von Geldmäklern – kurz, es war eine Sammlung der angesehensten Herzen in der Umgebung von zwanzig Stunden.

»Auf dieser Welt gibt es nur zwei Tragödien«, heißt es bei Oscar Wilde, »wenn Wünsche enttäuscht werden und wenn sie in Erfüllung gehen. Die zweite ist viel schlimmer.« Dem Holländer Michel ist im Hauff-Märchen Das kalte Herz eine dritte einschlägige Tragödie zu verdanken: wenn man sich nämlich an der Wunscherfüllung nicht mehr erfreuen kann.

Der Holländer Michel – eigentlich müsste es ja heißen: der Holländer-Michel, denn er ist kein Holländer, sondern erlangte seinen Ruhm nur durch höchst erfolgreichen Holzexporthandel in Rotterdam – dieser Michel also, ein Berg von einem Kerl, ist ein Finanzhai, wie er im Märchenbuche steht. Nunmehr zum mythologischen Waldgeist Marke (gigantisches) »Teufelchen« geworden, agiert er als Mephisto der kühlen Berechnung und macht mit naiven Seelen – basierend auf einer zugegeben genialen Marketingidee – ein Geschäft, das nur zu deren Ungunsten ausgehen kann: Er ermöglicht ihnen Reichtum und Reisen und behält dafür ihr Herz als Pfand ein, notdürftig ersetzt durch eine steinerne Attrappe, hart und kalt, zu keinerlei Empfindung fähig.

Kurzfristig ein Vorteil, weil Skrupel und Barmherzigkeit dem unmittelbaren Gewinnmaximierungsstreben nicht mehr im Wege stehen. Auf lange Sicht aber macht das ebenso umfassende Fehlen aller positiven Gefühle das Ganze zu einem Nullsummenspiel. Symptome: Stumpfheit, Langeweile, Sinnentleerung. Nebenwirkung: Erschlagen der eigenen Frau, weil diese einem Bettler Almosen zusteckt. Hauptfigur Peter Munk hat da nur Glück, dass er beim anderen Waldgeist Marke »Engelchen«, dem Glasmännchen, noch einen Wunsch frei hat und erfährt, wie er dem Michel – bei dem das Gold das Einzige ist, was glänzt – sein richtiges Herz wieder abluchsen kann.

Antipathieverschärfend kommt noch eine gewisse Pädophilenmanier hinzu, mit der Michel gewohnt ist, sich seinen Opfern anzunähern: im Wald tiefstimmig eine zwanglose Konversation anleiern und verlockende Geschenkangebote machen. Wenn das nicht funktioniert, hinter dem armen Kinde herlaufen und ihm drohen. Es mit Schlagstöcken attackieren, die sich dann in Schlangen verwandeln, welche von kreischenden Auerhähnen gerissen werden – nun gut, das geht dann schon in eine eher romantischfantastische Ausformung des turbokapitalistischen Kinderschänders über.

Und was können jetzt also die Holländer dafür? Rein gar nichts! Auch so eine Herzlosigkeit. ■

HERKUNFT: Schwarzwald

BERUF: Holzhändler

FUNKTION: Waldgeist

HOBBY: Steinmetz spielen

TALENT: Marketing

GRÖSSE: einen guten Kopf höher als alle

BEKLEIDUNG: Wams von Leinwand, ungeheure Stiefel

ERZFEIND: das Glasmännchen

Das Buch der Schurken

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