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DIE THÉNARDIERS

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AUTOR: Victor Hugo

TITEL: Die Elenden

(aus dem Französischen von Edmund Th. Kauer)

ORIGINALFASSUNG: 1862


» Thénardier war ein kleiner, magerer, schwächlich aussehender Mann, der krank zu sein schien; dabei fühlte er sich glänzend, sogar seine Krankheit war nur Betrug. Er pflegte vorsichtshalber immer zu lächeln und war zu fast allen Leuten höflich, sogar zu dem Bettler, dem er einen Pfennig verweigerte. (…)

Sie sah aus wie ein Schwerathlet, der sich als Mädchen verkleidet hat. Fluchen konnte sie prachtvoll, und sie rühmte sich, daß sie eine Nuss mit der Faust sprengen konnte. Wenn sie nicht ihre Romane gelesen hätte – wovon eine gewisse Gerührtheit und Zimperlichkeit ihres Wesens herrührte –, wäre wohl niemand darauf verfallen, sie für ein Weib zu halten.

Eines muss man ihnen lassen: Sie sind ein Traumpaar. Natürlich streiten sie und gehen recht rüde miteinander um, aber sie passen unbestritten perfekt zusammen, schon deshalb, weil niemand sonst einen der beiden würde haben wollen. Wer denkt, Victor Hugos Les Misérables müsste als Die Miserablen übersetzt werden, für den sind die Thénardiers die Hauptfiguren.

Betrug und Niedertracht sind ihnen derart ins Blut übergegangen (oder waren dort immer schon drin? – durchaus eine Schwerpunktfrage dieses Romans), dass sie sogar ihren eigenen Kindern gegenüber reflexartig eine skrupellose Ausbeutungshaltung an den Tag legen. Nachdem Thénardier bei Waterloo einem General zufällig das Leben gerettet hat, hält er ihm das lange, lange vor. Und als das Gastwirtepaar das arme Mädchen Cosette in Pflege nimmt, hat es dabei natürlich auch einen goldenen Glanz in den Augen. Monatlich sieben Francs soll Cosettes Mutter Fantine ihnen schicken. Als sie erfahren, dass es sich um ein uneheliches Kind handelt, sind es plötzlich erpresserische fünfzehn, und als sie schreiben, das Kind friere, und daraufhin statt weiteren Münzen ein Wolljäckchen zugeschickt bekommen, geraten sie so sehr in Wut, dass sie Cosette die Jacke erst recht vorenthalten.

Es braucht einen durch und durch gütigen Retter, um die Kleine aus dieser Situation zu befreien: Jean Valjean, Hauptfigur und haarscharf am Jesus mit Heiligenschein vorbeigeschrammt, ist charakterlich das krasse Gegenteil der widerwärtigen Wirte. »ExtremGebing« trifft auf »Extrem-Nehming«, sodass es geradezu amüsant ist, zu sehen, mit welchem heiligen Ernst Victor Hugo an den äußersten Enden des Schwarz-Weiß-Spektrums balanciert.

Aber die Thénardiers sind nicht nur gierig, sondern auch nachtragend, insofern, als dass sie es dir nicht verzeihen, wenn du ihnen eine sichere Einkommensquelle entziehst. Und so kommt es dann noch Jahrzehnte später, als die anderen Elenden (auch Mme. Thénardier) verstorben, verhaftet, verheiratet oder sonst irgendwie in ihrem Frieden angelangt sind, zu einem Aufeinandertreffen nach dem Motto: »Wenn zwei Menschen in der Kloake sind, müssen sie einander notwendigerweise begegnen.« Ein neuerlicher Erpressungsversuch geht jedoch schief, und Thénardier fliegt in seiner gesamten erbärmlichen Habgier auf. Trotzdem kommt er davon – schluchz! –, und zwar, weil die anderen einfach so gute Menschen sind. ■

HERKUNFT: Frankreich

BERUF: Gastronomiebetreiber, später Bittschreiber

HOBBY: Geld

SCHULD: die Gesellschaft

FLÜSSIGKEIT: Schleim

LIEB ZU KINDERN: nein

ERZFEIND: Jean Valjean

FILMDARSTELLER: Sacha Baron Cohen und Helena Bonham Carter

Das Buch der Schurken

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