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LAFCADIO WLUIKI

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AUTOR: André Gide

TITEL: Die Verliese des Vatikans

(aus dem Französischen von Thomas Dobberkau)

ORIGINALFASSUNG: 1914


»(…) Bedenken Sie doch: ein Verbrechen, das weder aus Leidenschaft noch aus Habgier geschieht. Sein Grund, das Verbrechen zu begehen, ist ja gerade, daß er es ohne Grund begeht. (…)

Mit diesem Namen muss man ja auf die schiefe Bahn geraten: Lafcadio Wluiki! Und jetzt stelle man ihn sich auch noch mit französischem Akzent ausgesprochen vor! Wäre man dieser Wluiki und fände dann auch noch heraus, dass man eigentlich der Sohn des Comte Juste-Agénor de Baraglioul ist und einem dieser viel, viel elegantere Name zusteht, man müsste geradewegs verbittert und bösartig werden.

Allein, so verhält sich das bei Lafcadio Wluiki nicht. Der steht über allem. Sobald er auch nur ahnt, dass der Graf sein Vater sein könnte, lässt er sich eben Visitenkarten mit dem neuen Namen drucken und wird mit diesen beim vermeintlichen Erblasser vorstellig (und erbt auch prompt).

Die Schönheit des Jünglings sticht Mann wie Frau ins Auge. Gilt es, ein paar Kinder aus einem Feuer zu retten, ist er zur Stelle, und uninspirierte Schriftsteller finden in ihm eine neue Muse. Cadio, wie ihn sein Lieblings»onkel« an der Seite seiner Mutter einst nannte, ist hauptberuflich Projektionsfläche. Und alle lieben ihn – sogar, ja gerade im Angesicht des Verbrechens.

Denn ein Verbrecher ist Lafcadio ja schon. Kein gewöhnlicher wie sein ehemaliger Kumpel Protos, der in bizarre Verkleidungen schlüpft, um wohlhabenden religiösen Fanatikern ein Budget für die angebliche Rettung des Papstes aus den Händen der Freimaurer zu entlocken. Lafcadio hat das nicht nötig. Lafcadio macht ganz andere Dinge: Er stößt den Schwager seines Halbbruders, den er nicht kennt, aus dem Zug, wodurch er ihn tötet. Ohne Grund, einfach um sich zu beweisen, dass er ein freier Mann ist. Die sechs Tausender, die dieser Fleurissoire bei sich hatte, lässt er in dessen Jackentasche zurück; darum ging es ja nun wirklich nicht. Daher hat Lafcadio auch kein schlechtes Gewissen, nicht einmal als er erfährt, an wem er da sein Exempel eines acte gratuit, eines Verbrechens ohne Motiv, statuiert hat.

»Es fällt mir ja so schwer, nicht zauberhaft zu sein! Ich kann mir aber doch nicht das Gesicht mit dunkler Beize einschmieren, wie Carola mir riet; oder anfangen, Knoblauch zu essen …«, denkt er dabei. Die eigene Wohlgestalt zu reflektieren und sich intellektuell davon abzusetzen, da gehört etwas dazu.

Deshalb verliebt sich auch der Leser in Lafcadio, dankbar für solche Brillanz inmitten eines Haufens Narren. Eine Sotie, ein Narrenspiel, nennt Verfasser Gide sein Werk. Als Bösewicht und gleichzeitige Identifikationsfigur schafft er die perfekte Mischung aus Dostojewskijs Raskolnikow und dem ewig jungen Dorian Gray. »Love Cadio« – es ist ein Imperativ, dem sich niemand widersetzen kann. ■

ALTER: 19

FAMILIE: de Baraglioul

BERUF: Sekretär

SCHATTENBERUF: Lebenskünstler

SCHÖNHEIT: CHARME: PHILOSOPHIEFAKTOR: ERZFEIND: höchstens er selbst

Das Buch der Schurken

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