Читать книгу Das Buch der Schurken - Martin Thomas Pesl - Страница 19

KAIN

Оглавление

AUTOR: Mose (angeblich)

TITEL: Genesis (1. Buch Mose)

(aus dem Althebräischen, Altaramäischen und Altgriechischen von Martin Luther)

ORIGINALFASSUNG: ca. 400 v. Chr.


»Da sprach der Herr zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Ist’s nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie. Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot. Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein? Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.

»Lass uns aufs Feld gehen!« Das klingt schon so. Aber wie hätte Abel auch ahnen sollen, dass er besser geantwortet hätte: »Leider keine Zeit!«, als einfach mitzukommen. Allzu viel soziale Erfahrung hatten sie damals noch nicht, als Menschen Numero 3 und 4.

Irgendwann musste es ja passieren, warum also nicht gleich, suggeriert uns das Alte Testament. Der dritte Mensch wurde nach Bibel und Koran also der erste Mörder und der erste Schurke, wenn man Satans schlüpfrige Apfelspiele als nicht irdisch (ja, als wahrlich unterirdisch!) außer Acht lässt.

Und dann auch noch aus einem so kleinlichen Grund! Der Herr, heißt es, zog Abels Opfer aus jungen Tieren und ihrem Fett Kains vegetarisch geprägter Darreichung vor, Kain wurde neidisch und sagte: »Lass uns aufs Feld gehen!« Im 1. Buch Mose (auch als Genesis bekannt) wird das sehr pragmatisch geschildert, denn als Heilige Schrift hat man sich nicht in Literatur zu ergehen, da geht es um Fakten. Das lässt einigen Interpretationsspielraum. Was erhoffte sich Kain, indem er Gottes Liebkind tötete? Wollte er mehr Aufmerksamkeit? War es Rache am Missachtenden? Hatte er sich das wirklich gut überlegt? Kain mag der erste Schurke des Abendlandes sein, unter die brillantesten fällt er nicht.

Die Strafe des Herrn ist auch knapp formuliert: Vertreibung aus dem Ehschon-Exil jenseits des Paradieses ins Lande Nod, und: »Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.« Wenigstens kann Kain sich Schutz vorm Totgeschlagenwerden ausverhandeln und bekommt eine Frau – einigen Quellen zufolge seine Schwester – zur Seite gestellt; »die ward schwanger und gebar den Henoch«. Und so weiter. So pflanzte der Mörder sich fort, und unzählige Nachkommen machten ihrem Ahn alle Ehre.

Auch in der Literatur: Ganze 17 Verse im Alten Testament, die sich dem Urkriminellen widmeten, inspirierten viele weitere Kains. Bei Baudelaire (Die Blumen des Bösen, 1857) ist er ein potenzieller Revolutionär, der Gott entthronen soll. José Saramago (Kain, 2011) schickt ihn zur Strafe für seinen Brudermord nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich auf eine Irrfahrt. Bei Manuel Vicent (Mein Name ist Kain, 1991) ist er Jazzsaxofonist und behauptet, gar nicht der Mörder gewesen zu sein. Und in Steinbecks Jenseits von Eden aus dem Jahr 1955 ist überhaupt alles anders: Die kalifornischen Brüder Charles und Adam überleben ihren Konflikt (vorerst) beide. ■

HERKUNFT: Jenseits von Eden

SOHN VON: Adam und Eva

BRUDER VON: Bitte, wem?

VATER VON: Henoch

BERUF: Ackermann

ANZAHL DER VORFAHREN: SLOGAN: »Bin ich der Hüter meines Bruders?« BESONDERE FANS: Baudelaire, Vicent, Saramago, Steinbeck

Das Buch der Schurken

Подняться наверх