Читать книгу Meine zwei Leben - Martina Prewein - Страница 14

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Die erste Zeit in Deutschland ging es mir gar nicht gut. Der Regisseur in meinem Kopf war zwar völlig verschwunden, meine Traurigkeit aber nicht. Ich liebte diesen Mann, der mich so schrecklich enttäuscht hatte, einfach noch immer.

In diesem Zustand lernte ich Holger kennen. Nach meinem Au-Pair-Job hatte ich meinen Auslands-Aufenthalt ein bisschen verlängert, ich arbeitete nun in einem Eissalon in einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Nürnberg. Irgendwann, an einem wunderschönen Sommermorgen, stand er vor mir an der Theke. Holger, ein Verkäufer von Kühlgeräten, ein großer, blonder Mann, der auf gewisse Weise meinem Ex-Freund ähnlich sah, um 14 Jahre älter als ich. Ich war damals 22, er 36.

Holger sah mich mit bewunderndem Blick an, und er machte mir Komplimente. Natürlich sagte ich ja, als er mich um ein Rendezvous bat. Und natürlich sagte ich ja, als er mich ein paar Wochen später schon fragte, ob ich seine Frau werden wollte. Esti, redete ich mir ein, da ist endlich ein Mann in dein Leben getreten, der dich nicht nur ausnutzen will. Sein Antrag kann nichts anderes bedeuten, als dass er es ernst mit dir meint und dich aufrichtig mag. Und die Liebe zu ihm wird schon noch kommen, dachte ich mir.

Holger wirkte vertrauenswürdig auf mich. Esti, du wirst es gut bei ihm haben, er wird dich vor allem Bösen auf dieser Welt beschützen, bis in alle Ewigkeit. Esti, er will bis zur Hochzeitsnacht nicht mit dir schlafen, das ist romantisch.

Ich erzählte Holger von meinem Wunsch nach einer Trauung in Weiß. Nein, mein Kleines, sagte er, das ist nicht möglich, ich bin ein Hare-Krishna-Anhänger. Bitte akzeptiere meinen Glauben genauso, wie ich deinen akzeptiere.

Die standesamtliche Zeremonie fand in kleinem Rahmen statt, nur ein paar von Holgers Freunden waren da, unsere Familien kamen nicht, weil sie unsere Entscheidung für überstürzt hielten. Ich weinte still in mich hinein, als wir einander die Eheringe an die Finger steckten. Niemand merkte meine Verzweiflung. Längst hatte ich mir die Fähigkeit angeeignet, besonders stark zu scheinen, wenn ich mich ganz schwach fühlte. Ich setzte mein Poker-Gesicht auf, lächelte und hielt mich aufrecht. Ich tanzte. Nur das Essen fiel mir schwer. Von unserer Hochzeitstorte bekam ich kaum einen Bissen runter. Ich ahnte, dass ich einen fürchterlichen Fehler gemacht hatte. Aber ich zwang mich, ganz fest daran zu glauben: Alles wird wunderbar.

Nichts wurde wunderbar. Bald ging es los. Esti, du bist so dumm. Esti, du kriegst gar nichts auf die Reihe. Esti, du bist unerotisch, nimm ein paar Kilo zu. Als Holger anfing, mich so zu behandeln, hätte ich mich sofort von ihm trennen müssen. Ich tat es nicht, weil ich eine Scheidung nicht mit meinem Glauben vereinbaren konnte. Weil ich meinen Eltern meinen Fehler nicht eingestehen wollte. Weil ich hoffte, Holger würde wieder zu dem Prinzen werden, als den ich ihn kennengelernt hatte. Weil ich ihn mittlerweile doch schon liebte.

Bald zogen wir nach Berlin, in seine Heimatstadt. Ich nahm wieder eine Stelle in einem Eissalon an. Holger arbeitete unregelmäßig bei diversen Firmen. Ich verdiente als Kellnerin gutes Geld. Holger nahm es mir immer sofort ab. Du bist zu jung und zu naiv, um es ordentlich zu verwalten, sagte er.

Manchmal lehnte ich mich gegen ihn auf, doch nur in Gedanken. Ich überlegte, nach Spanien zu meinen Eltern zurückzukehren. Holger ahnte offenbar etwas von meinen Befreiungsfantasien. Er nahm mir meine Papiere weg.

Meine zwei Leben

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