Читать книгу Meine zwei Leben - Martina Prewein - Страница 18
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ОглавлениеMein neues Telefon läutet. Roland ist am Flughafen angekommen. Ich sehe ihn mit verwirrtem Blick und mit seinem Handy am Ohr in der Halle umherirren. Liebling, dreh dich um. Er entdeckt mich jetzt auch. Wir laufen aufeinander zu, umarmen uns, nicht länger als drei Sekunden. Während ich seinen Körper an meinem spüre, ist meine Welt wieder in Ordnung. Plötzlich sind sie weg, meine Ohnmachtsgefühle.
Esti, was ist los? Ich bin zurück in der Wirklichkeit. Komm, gehen wir kurz raus auf den Parkplatz. Was soll ich Roland sagen? Ihm, diesem Menschen, dessen Leben so normal verlaufen ist. 47 Jahre hindurch. Bis jetzt.
Er war sehr jung, als er heiratete, bald bekam er mit seiner Frau zwei Söhne. Er arbeitete immer fleißig, irgendwann begann es in seiner Ehe zu kriseln, seine Scheidung erfolgte aber in Freundschaft. Danach ging er eine neue Partnerschaft ein. Sie dauerte fast neun Jahre. Ich war der Trennungsgrund. Ich, Esti, eine Mörderin.
Als wir zusammenkamen, zweieinhalb Jahre nachdem ich Holger und sechs Wochen nachdem ich Manfred getötet hatte, kannten wir einander schon einige Zeit. Manfred war mit Roland befreundet gewesen. So hatten wir einander kennengelernt. Ich mochte sofort seine ruhige Art, seine Verlässlichkeit, ich konnte gut mit ihm reden.
Klar, dass er mir beistand, mir eine seelische Stütze sein wollte, nachdem Manfred als vermisst galt. Er versuchte mich abzulenken, lud mich zum Essen ein, er erkundigte sich ständig nach meinem Befinden. Es dauerte nicht lange, bis wir uns ineinander verliebten. Ich, 15 Jahre jünger als er, versprach ihm alles Glück dieser Welt. Wir werden eine Familie gründen, sag te ich zu ihm. Er war da nicht so zuversichtlich. Esti, ich hatte Hodenkrebs und eine Strahlentherapie, meine Chancen, ein Kind zu zeugen, sind gering. Du wirst sehen, es wird klappen, erklärte ich ihm. Und es hat wirklich geklappt.
Jetzt sitzen Roland und ich am Flughafengelände, in seinem Auto, und ich weiß nicht, was ich ihm erzählen soll. Die Wahrheit geht nicht. Ich will ihn nicht zum Mitwisser machen. Er und das Baby in meinem Bauch sind die beiden Menschen, die ich am meisten liebe auf dieser Welt.
Roland, ich muss weg, dringend. Ich werde jetzt gleich nach Spanien fliegen. Warum? Er schaut mich mit einem verständnislosen Blick an. Ich spüre, er hat keinen Verdacht. Er glaubt anscheinend noch immer, dass das Polizeiaufgebot vor meinem Eissalon mit einem Einbruch beim Friseur Erkan im Zusammenhang steht. Meinem Vater geht es sehr schlecht, erkläre ich ihm, du weißt, er ist herzkrank, er wurde heute Morgen in ein Spital gebracht. Warum hast du mich nicht schon früher angerufen? Von wem hast du die Nachricht erfahren? Von deiner Mutter, von deinem Bruder?
Warum, höre ich Roland fragen, willst du mir deinen Eissalon überschreiben, bloß, weil du ein bisschen Zeit in Barcelona verbringen willst? Esti, lüg mich nicht an.
Bitte, erwarte keine Antworten von mir. Stell mir keine Fragen mehr, ich möchte dich doch nur beschützen. Wovor? Esti, erklär mir endlich, was wirklich geschehen ist. Er wird lauter. Das kann ich nicht. Ich bitte dich nur, mir zu verzeihen. Was soll ich dir verzeihen? Fürchterliche Dinge sind geschehen, sage ich, es gibt so viele Missverständnisse, ich hätte früher mit dir reden sollen. Jetzt geh, fahr wieder in die Arbeit. Sein Blick zerreißt fast mein Herz. Bitte, fahr endlich. Ich küsse ihn noch einmal und steige schnell aus seinem Wagen.