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Du musst dich zusammennehmen, sage ich mir, du darfst dir nichts anmerken lassen. Der Friseur Erkan sitzt an einem Tisch im Eissalon und trinkt eine Tasse Kaffee. Er hat sein Geschäft erst vor Kurzem eröffnet. Wie geht es dir, Esti? Ganz gut, und dir? Bei mir ist der totale Stress ausgebrochen. Ich habe einen Wasserrohrbruch, und nun werden im ganzen Keller die Rohre aufgestemmt.

Ich höre seine Worte und zugleich auch nicht. Wie ein Roboter beginne ich, die Eisbestände zu prüfen. Ich erstelle die Listen für mein Personal, welche Sorten sie zubereiten sollten und bereite die Lieferungen für unsere Großkunden vor.

Noch ein Nachbar, Niko, ich mag ihn sehr, kommt ins Geschäft, er zieht mich zur Seite und flüstert mir ins Ohr. Weißt du, was los ist? Nein. Sie haben unten einen toten Mann gefunden, und alle glauben, es ist Manfred.

Ich will raus aus diesem Alptraum. So oft ist der Augenblick, in dem alles auffliegt, schon vor mir abgelaufen. Jetzt ist er wirklich da, jetzt ist alles aus. Oder doch nicht? Vielleicht wache ich noch auf. Jetzt geht nicht. Gott, lass mich erst mein Kind großziehen, und dann kannst du mich ins Gefängnis stecken.

Meine Serviererin Anna schüttelt mich an der Schulter. Esti, was ist mit dir los? Ich muss dir etwas sagen, ich darf es dir nicht sagen, aber ich kann nicht anders. Es ist etwas Fürchterliches passiert, und die Leute behaupten, du warst es. Was ist los? Was soll ich getan haben? Im Keller liegt ein zerstückelter Mann. Es soll Manfred sein, es heißt, du hast ihn getötet.

Es fällt mir schwer, auch nur noch einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Ich weiß nur: Es dauert nicht mehr lange, und sie werden auch Holger finden.

Mein Überlebensinstinkt treibt mich aus dem Geschäft. Das Haus ist bereits von Polizisten belagert. Mehrere Funkstreifenwagen stehen davor. Die Beamten laufen hektisch auf und ab. Ich höre laute Stimmen aus dem Polizeifunk. Ein Mann in Zivil fordert über sein Handy noch mehr Einsatzkräfte an.

Ich muss fliehen. Aber wohin? Und was ist mit Roland? Ich kann nicht mehr ohne ihn sein, doch ich darf nicht mein Drama zu seinem machen.

Esti, atme durch, versuche, vernünftig zu handeln. Es gelingt mir, mich ein wenig zu sammeln und wieder klare Gedanken zu fassen. Esti, du wirst auf deiner Flucht Geld brauchen, viel Geld.

Ich gehe zu meiner Bank, gleich ums Eck. Ich stelle mich am Ende einer langen Menschenschlange an. Wertvolle Zeit verstreicht. Bitte, lieber Gott, schneller. Endlich bin ich an der Reihe. Ich ersuche einen Angestellten, mich in den Raum mit meinem Schließfach zu bringen. Ich habe das Gefühl, dass der Kundenbetreuer meine Anspannung bemerkt. Mein Familienschmuck liegt in dem Safe, ich hole ihn heraus, packe ihn in meine Handtasche. Nein, bitte nicht. Ich merke, dass ich mein Geld und mein Sparbuch im Eissalon vergessen habe. Ich bin so eine Idiotin. Was soll ich nur tun?

Meine zwei Leben

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