Читать книгу Meine zwei Leben - Martina Prewein - Страница 17

5

Оглавление

Ich denke an die Szenen von damals, während ich in Saschas Auto sitze und immer panischer werde. Ich überlege, den Wagen zu starten und Gas zu geben. Unsinn. Ich schaffe es nicht, auf einer Autobahn zu fahren, seit ich vor einem Jahr einen Unfall auf der Wiener Südosttangente hatte. Ich war damals auf dem Weg zu einem Kirtag, mit vollen Eiskanistern im Kofferraum, mein 14-jähriger Ferialpraktikant, der Sohn eines Nachbarn, saß am Beifahrersitz. Meine Bremsen versagten, vielleicht betätigte ich sie auch zu spät. Wir überstanden den Unfall beide unverletzt. Trotzdem, er ließ einen Schock in mir zurück. Beinahe wäre ein Kind wegen meiner Unachtsamkeit umgekommen.

Ich werde nie wieder auf einer Schnellstraße fahren, das hatte ich mir damals geschworen. Weil ich keine gute Autofahrerin bin und andere Menschen nur gefährde, wenn ich mit mehr als fünfzig Stundenkilometern unterwegs sein muss.

Ich beschließe, auf Sascha zu warten. Er wird zurückkommen. Oder? Ja, nein, ja, nein. Gott, danke, er ist da. Er hat nur meinen mexikanischen Pass dabei, er behauptet, er hätte den spanischen nirgendwo gesehen. Ich weiß, es hat keinen Sinn, ihn nochmals in meine Wohnung zu schicken.

Sascha, bitte bring mich zum Flughafen. Nein, geht nicht. Ich verstehe. Aber er erweist mir einen letzten Dienst, er fährt zu einem Handy-Shop, kauft ein Wertkarten-Telefon für mich. Er übergibt es mir, als ich schon ein Taxi angehalten habe. Esti, alles Gute. Tränen laufen über meine Wangen. Ich setze meine Sonnenbrille auf. Zum Airport, bitte. Der Taxichauffeur will mit mir plaudern. Woher kommen Sie? Wohin fliegen Sie? Gefällt Ihnen Wien?

Fragen, Fragen, Fragen. Warum hält der Typ nicht einfach den Mund? Ich kann keine Antworten geben, ich weine. Doch das soll er nicht merken. Ich verstärke meinen Akzent, tue, als würde ich ihn nicht verstehen. Bitte, Gott, lass uns endlich an unserem Ziel ankommen. Ich weiß, dass ich so schnell wie möglich das Land verlassen muss, aber ich kann nicht gehen, ohne vorher mit Roland geredet zu haben. Was wird er über mich denken?

Endlich komme ich am Flughafen an, ich bitte den Taxifahrer um ein Stück Papier. Ich schreibe darauf, dass ich alles, was ich besitze, Roland schenke, mein Geschäft, meine Möbel, meine Kleider, meine Bücher, und ich kritzle auch noch eine persönliche Nachricht für ihn auf den Zettel: Bitte, komm nach Schwechat, zum Flughafen. Ruf mich unter dieser Telefonnummer an, wenn du da bist. Es ist die Nummer meines Pre-Paid-Handys. Ich zahle die Taxi-Rechnung und gebe dem Chauffeur weitere zwanzig Euro, damit er den Brief Roland an seinen Arbeitsplatz bringt.

In der Abflughalle schaue ich auf die Tafeln, ich suche nach Flügen nach Spanien, nach Mexiko, nach irgendwohin. Ich kann die Anzeigen nicht lesen, die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen. Ich gehe zum Last-Minute-Schalter, frage den Mann hinter dem Pult nach abgehenden Flügen. Ihr Ziel? Ich bin blockiert, stottere. Egal, wohin geht die nächste Maschine? Nach Paris. Okay. Ich kaufe ein Ticket. Was, wenn es schon einen EU-weiten Haftbefehl gegen mich gibt? Ich muss mich an die Wand lehnen, um nicht umzufallen. Ich wirke auf die Leute um mich sicherlich wie eine Geistesgestörte. Niemand darf die Rettung rufen, das wäre das Ende für mich.

Wie soll ich es schaffen, mich endlich normal zu benehmen? Was soll ich tun? Kann mir das bitte jemand sagen? Ich bin nicht auf eine solche Situation vorbereitet, ich bin zu dumm, um sie zu bewältigen. Nie hatte ich Pläne für den Ernstfall entworfen. Und jetzt ist der Ernstfall da. Von Paris geht eine Maschine nach Mexiko weiter. Ich buche einen Platz darauf.

Meine zwei Leben

Подняться наверх