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1 Handlungsfelder

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Die legislativ definierten beziehungsweise sanktionierten Handlungsfelder decken sich im Wesentlichen mit den Tätigkeitsfeldern, die zur Beantwortung der in einer früheren Untersuchung zur Entstehung des Bündner Polizeiwesens behandelten Legitimierungsfrage herausgeschält wurden.109 Dabei wurde der Frage nachgegangen, zu welchem Zweck ein Polizeiwesen überhaupt entstanden ist und wie die Einsetzung kantonaler Polizeibeamter gegenüber dem Volk legitimiert wurde. Zur Beantwortung dieser Frage war die Berücksichtigung der staatlichen Organisation, an welche das Polizeiwesen gebunden war, von zentraler Bedeutung. Die Behörden konnten nur legitimieren, wofür sie auch die Kompetenz kraft Verfassung hatten. In Anlehnung an die Legitimierungsfrage soll zu den Tätigkeitsfeldern nur ein kurzer resümierender Überblick gegeben werden.

Der Hauptauftrag definierte wie bereits gesehen die Reinhaltung des Herrschaftsgebiets110 von Landstreichern und Bettlern: Nachdem die Paragrafen eins bis drei sich mit der Korpsgrösse (§1), der übergeordneten Befehlsbehörde (§2) sowie den Sold- und Uniformierungsbestimmungen (§ 3) befasst haben, beschäftigen sich (mit Ausnahme von §10) sämtliche restlichen Paragrafen der Instruktion von 1804 entweder direkt oder indirekt mit dem Hauptauftrag der Vaganten- und Bettlerverfolgung: Freihaltung des Kantons (§4), Zuständigkeitsdistrikte (§5), Postenwechselbestimmungen (§ 6) und Aufforderung zu einer «allgemeinen Jagd» nach dem Postenwechsel (§ 7), genaue Standorte der jeweiligen Posten (§8), Unterstreichung der Bedeutung ordnungsmässiger Pässe (§ 9), Verfolgung der in den Signalementen gesuchten Verbrecher (§ 10), Koordination betreffend Zuweisung der Bettler in die Richtung der Grenzen ihrer Herkunftsländer (§ 11), Unterstützungspflicht der Gemeinde- und Gerichtsobrigkeiten (§12), Rapportpflicht (§13), Aufsichtspflicht des Landammanns oder des ersten Gerichtsvorstehers (§ 14) sowie Dienstvergehen und deren Bestrafung (§ 15).111

Diese erste Landjägerinstruktion nun wurde nebst dem Hauptauftrag durch ein weiteres Tätigkeitsfeld ergänzt. Dabei handelte es sich um den Auftrag an die auf den Zollstationen in Martinsbruck, Castasegna und Splügen und auf der St. Luzisteig stationierten Landjäger, den Zolleinnehmern in ihren Verrichtungen zu helfen.112 Widersprüchlich ist in diesem Zusammenhang einzig das Jahr der definitiven Aufbietung der Landjäger am Grenzzoll (im Sinn ihrer festgeschriebenen Hauptverwendung für diesen Dienst): Eine spezielle Instruktion für diese Landjägergruppe findet sich 1806 im Protokoll des Kleinen Rates.113 Demgegenüber sprach der spätere Standeskassier Florian Nett in einer wesentlich später verfassten Stellungnahme betreffend Bekleidung und Beaufsichtigung der Landjäger vom «Jahr 1807. wo die ersten Landjäger, namentlich als Assistenten für die Zollposten angestellt wurden».114

Das Dingfestmachen von Verbrechern schliesslich war ein drittes Tätigkeitsfeld, welches bei einheimischen Gesetzesbrechern erst nach Aufforderung der Gerichtsvorsteher erfolgen konnte. Die Kantonsbehörden durften die Landjäger insofern, und dies gilt es besonders zu unterstreichen, nur dann zur Verhaftung aufrufen, wenn es sich um ausgeschriebene ausländische Gesetzesbrecher (Signalemente) handelte oder wenn ein Gericht zu einer Verhaftung eines Angehörigen aufgerufen hatte.115

Die drei in der ersten Instruktion beschriebenen Tätigkeitsfelder entsprechen in der Ahlf’schen Umschreibung der Polizeikultur insofern den harten Faktoren, als es sich um typische polizeiliche Handlungen handelte. Schnell sollte sich zeigen, dass diese Felder insbesondere während der Mediationsphase durch eine Vielzahl von administrativen Verrichtungen, bei denen die Polizeibeamten als Handlanger der Regierung und als Scharnierstelle zwischen dieser und der Bevölkerung fungierten, begleitet wurden. Entscheidend war hierbei einerseits der Zeitfaktor, da die Landjäger das kleinrätliche Anliegen schneller zur Exekution bringen konnten, als dies über den üblichen Briefverkehrsweg möglich gewesen wäre. Andererseits waren die Polizeibeamten in personifizierter Übermittlungsform aber auch zur unmittelbaren Lösung des Sachverhalts vorteilhaft, gerade wenn es zusätzlicher Auskünfte bedurfte und der Landjäger diese gemäss Einschätzung seiner Auftraggeber einzuholen imstande war.116 Diese administrativen Verrichtungen für den Kleinen Rat indes scheinen mit dem wachsenden (und sich diversifizierenden) kantonalen Institutions- und Beamtenapparat nach der Mediationsphase tendenziell abgenommen zu haben.117

Hinzu kamen jedoch neue Aufgaben im Zusammenhang mit dem 1817 neu errichteten kantonalen Zuchthaus Sennhof, mit der 1840 eröffneten Zwangsarbeitsanstalt Fürstenau (Beaufsichtigung der Zuchthaus- bzw. Arbeitsanstaltsinsassen) sowie Verkehrs-, Gesundheits-, Gewerbe- und andere polizeiliche Bestimmungen der folgenden Jahrzehnte, welche eine langsame, aber schleichende Zuständigkeitserweiterung der Landjäger auf die einheimische Bevölkerung erkennen lassen.118 Durch die äusserst föderalistische Struktur des Kantons Graubünden und die Abhängigkeit der obersten Landespolizeibehörde von der Aufsicht und Unterstützung der Landjäger durch die Ortsobrigkeiten fielen dem Bündner Polizeisystem auch von dieser Seite zusätzliche Handlungsfelder zu. In der Regel wurden die damit verbundenen Tätigkeiten nicht speziell entgolten. Eine Ausnahme bildeten zuweilen spezifische Aufgebote, welche von den Auftraggebern nach expliziter Anfrage an das Verhörrichteramt erfolgten. Ein Beispiel etwa ist die Vergütung durch den Besitzer eines Churer Gasthauses für die während zwei Bällen am Churer «Fasching» dienenden Landjäger Casper Sprecher, Simeon Fleisch und Stephan Clavadetscher. Der Gastwirt Alexander Risch hatte gemäss Notiz des Verhörrichters die drei Landjäger mit total fünf Gulden119 entlöhnt, welche dann unter diesen aufgeteilt worden seien. Deren Verpflegung sei darüber hinaus unentgeltlich im Gasthaus erfolgt.120 Ein analoges Beispiel ist auch für das Jahr 1826 belegt, als die Landjäger Joseph Casparin, Joseph Maculin, Sixtus Seeli, Hercules Derungs d. Ä. und Casper Sprecher von Bundsstatthalter Melchior La Nicca für die am «Fasching» durchgeführten Wachen entschädigt wurden.121


5 Landjägerreglement, 1840. Auszug aus der Amtlichen Gesetzessammlung des Kantons Graubünden.

Diese bereits früh stattfindende und durch die lokalen Machtgewalten von oben erfolgende Implementierung von Organisationsstrukturen erfuhr schliesslich in späteren Instruktionen eine partielle Legitimierung. Sie wurde durch resümierende Paragrafen festgehalten, welche ihrerseits jedoch eher vage formuliert waren. So sah die Instruktion von 1813 vor, dass die Landjäger nebst der Befolgung der

«in der […] allgemeinen Instrucktion enthaltenen Pflichten […] den betreffenden Gerichts-Obrigkeiten so weit untergeordnet [seien], dass sie die Aufforderungen, welche dieselben in Criminal oder Polizey-Angelegenheiten an die Landjäger ergehen zu lassen veranlasst [seien], unhinterstellige Folge zu leisten [hätten]».122

Letzten Endes handelte es sich bei der Einbindung dieses Wortlauts in einen Artikel um den Versuch, die Akzeptanz des Polizeikorps bei den lokalen Obrigkeiten zu erhöhen.123



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