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Einleitung

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«[Ich] Ersuche Sie Freündschaftlich, wan ich könti mein Weib, und Kinder, nach Zernetz zu mir nemmen, bis künfigtij Frujahr, und dan werde ich in Gottes nammen den Landjäger Dienst quiteren, und nach Hause gehen.»1

Als der in Zernez stationierte Landjäger Jakob Guler (1793–1841) im Herbst des Jahres 1830 diese Mitteilung an seinen Vorgesetzten in Chur, Verhörrichter Heinrich de Mont (1788–1856)2, sandte, war das Polizeiwesen bereits seit mehr als fünf Jahren ein zentraler Bestandteil seines Alltags geworden.3 Im Verlauf dieser Zeit hatte er sich als Polizist zahlreichen Normen und Rahmenbedingungen beugen müssen, hatte jedoch im jungen und mit einem relativ personalarmen Polizeikorps ausgestatteten Kanton Graubünden auch seinen Teil zur Konstituierung des sich entwickelnden Polizeisystems beigetragen. Dies, indem er entweder mit einem richtlinienkonformen Verhalten zu einer Verdichtung geltender Rahmenbedingungen beigetragen oder aber bei der Bewältigung des Alltags einen eigenen, neuen Interpretations- oder Vorgehensweg eingeschlagen hatte, welcher von der Polizeileitung entweder akzeptiert, nicht entdeckt oder im schlimmsten Fall als deviant erklärt und sanktioniert wurde. Aus der Retrospektive ist das Verhältnis, in dem Landjäger Guler am Tag des zitierten Rapports zu diesem System stand, nur zu vermuten. Erfahrbar gemacht werden in seinem Bericht dagegen die arbeitsbedingte Trennung von der Familie und ein sich in seiner Anfrage widerspiegelndes Untertanenverhältnis. Die angesprochene Kündigungsabsicht lässt den Hauch einer gewissen Wehmut anklingen, was Zwänge und Nöte, in denen sich der Landjäger befand, erahnen lässt. Landjäger Jakob Guler hing offenbar durchaus an der Beamtenstelle. Jedoch weiss man nicht, ob er sich mit derselben auch innerlich identifizieren konnte oder ob dafür in einer von Armut geprägten Zeit eher finanzielle Gründe ausschlaggebend waren. Hier konzentrieren sich einerseits die sich wechselseitig beeinflussenden Fragen des Soll- und des Ist-Zustands, andererseits auch diejenigen nach der Zufriedenheit und der Identifikation mit dem System. Um die Beantwortung dieser Fragen soll es in der folgenden Untersuchung gehen. Das Interesse gilt insofern einem Bereich der Bündner (und Schweizer) Alltagsgeschichte, welcher bislang weitgehend unbeachtet geblieben ist.


2 Reglement für ein aufzustellendes Piquet Landjäger, Mai 1804.

Begonnen wird dieser Einleitungsteil zuerst mit einem kurzen Abriss zum historischen Kontext des sich konstituierenden Polizeikorps. Danach wird mit dem theoretischen Rahmen weitergefahren, in welchem auch die gegenwärtige polizeigeschichtliche Forschungslage zur Sprache kommt. Im dritten Kapitel dieses Einleitungsteils folgen die Angaben zum methodischen Vorgehen, das sich aus einer kritischen Betrachtung des herangezogenen Quellenmaterials und den inhaltlichen Bemerkungen zum Aufbau der vorliegenden Untersuchung zusammensetzt.



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