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cc) Anbahnungsgespräch

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Der Anwalt, dem die Verteidigung des inhaftierten Beschuldigten angetragen wurde, hat Anspruch auf Erteilung einer Einzelsprecherlaubnis für ein unüberwachtes Anbahnungsgespräch.[7]

In den vergangenen Jahren ist eine Tendenz der Rechtsprechung zu erkennen, angeblichen Missbrauch durch Verteidiger zu begegnen, die lediglich aufgrund eines Hinweises eines dem Beschuldigten nicht nahestehenden Dritten auf ein eventuelles Haftmandat eine Besuchserlaubnis beantragen, um sich dem (ggf. bereits anderweitig verteidigten) Beschuldigten anzubiedern.

So sieht das LG Bielefeld unter breiter Darlegung der Missstände einer angeblich vorrangig wirtschaftlich geleiteten Anwaltschaft eine Fürsorgepflicht des Gerichts, den inhaftierten, bereits verteidigten Beschuldigten vor „zu viel“ Verteidigung und einer damit einhergehenden erhöhten Kostenlast zu „schützen“ und verlangt deshalb die vorherige Vorlage einer schriftlichen Erklärung des Beschuldigten, wonach dieser ausdrücklich um das Anbahnungsgespräch nachsucht.[8]

Soweit diese Rechtsprechung darauf abstellt, es sei ein Missbrauch für Anbiederungsgespräche von Rechtsanwälten zu verhindern, die nicht von einer vom Beschuldigten autorisierten Person um dessen Verteidigung gebeten wurden, sondern auf anderem Wege von dem möglichen Mandat erfahren haben und nun durch Vorsprache beim Beschuldigten hierum „buhlen“ wollen,[9] so dürfen derartige Missbrauchsfälle nicht zu einer Einschränkung der Rechte von Beschuldigtem und Verteidiger führen und sind daher hinzunehmen. Es liegt insoweit in den Händen der Anwaltschaft, gegen diese standeswidrige Form der Mandantenwerbung einzutreten.

Hinzu tritt, dass der inhaftierte Beschuldigten aufgrund der seit dem 1.1.2010 geltenden Neuregelung des Untersuchungshaftrechts (§§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 3 S. 4 StPO) oftmals im Zuge seiner Inhaftierung „auf die Schnelle“ und aus der Not heraus einen möglicherweise nicht so geeigneten Verteidiger benennt oder dieser gar vom Gericht ausgewählt wird und erst danach von der Familie oder Dritten ein geeigneter Verteidiger aufgesucht wird, der dem Beschuldigten die Übernahme der Verteidigung antragen soll. Auch der Beschuldigte selbst wird vielmals an der ersten, in der Eile getroffenen Verteidigerwahl nicht festhalten wollen.[10]

Praxistipp

In der Praxis sollte, sofern möglich, bereits im Rahmen des Antrages auf Erteilung einer Sprecherlaubnis erwogen werden, offen zu legen, dass der Auftrag von nahen Angehörigen erfolgte und nicht von Dritten. Sofern die Beauftragung durch den inhaftierten Beschuldigten selbst über Dritte erfolgt, könnte ggf. dargetan werden, bei welcher Gelegenheit der Beschuldigte dem Dritten den Wunsch auf Beauftragung des Rechtsanwalts übermittelt hat, sofern dies nicht auf unzulässige Weise erfolgt ist (vgl. § 115 OWiG) Damit kann sich der noch zu mandatierende Verteidiger zeitsparende Diskussionen mit der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht ersparen.

Im Streitfall ist darauf hinzuweisen, dass die zitierten Entscheidungen aufgrund der Neuregelung des Untersuchungshaftrechts ab dem 1.1.10 als überholt zu betrachten sind; die Entscheidungen des LG Krefeld und des LG Heilbronn können hier als Argumentationshilfe dienen.

Das AG Aachen unterstellt in seiner Entscheidung vom 26.1.10 i.Ü. richtiger Weise und ohne weitere Prüfung einen entsprechenden (mutmaßlichen) Besuchswunsch des Beschuldigten, wenn und soweit ein Verteidiger glaubhaft versichert, von nahen Angehörigen des Beschuldigten mit einem Anbahnungsgespräch beauftragt worden zu sein[11].

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Nach zutreffender Auffassung unterfällt bereits das Anbahnungsgespräch dem Schutzbereich des § 148 Abs. 1 StPO.[12] Die Vorschrift des § 148 Abs. 1 StPO gewährt nicht nur dem nicht auf freien Fuß befindlichen Beschuldigten das Recht auf unbeschränkten[13] schriftlichen und mündlichen Verkehr mit seinem Verteidiger, sondern das Verkehrsrecht steht auch dem Verteidiger als eigene Befugnis zu.[14] Ein Verteidigungsverhältnis i.S.d. § 148 StPO setzt zwar einen wirksamen Anwaltsvertrag zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger voraus (siehe Rn 2). Auch wenn das Anbahnungsgespräch erst der Klärung dient, ob das dem Verteidiger angetragene Mandatsverhältnis zustande kommen soll, so ist der Schutzbereich des § 148 StPO gleichwohl auch in diesem frühen Stadium der Mandatsanbahnung eröffnet.[15]

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Die insoweit vertretene Gegenauffassung des Kammergerichts[16] verkennt die Bedeutung der Vorschrift. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Geldwäscheentscheidung vom 30.3.2004 betont, dass eine wirksame Verteidigung ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger voraussetze. Dabei stellten das Recht und die Pflicht des Verteidigers zur Verschwiegenheit die „Grundbedingungen“ dafür dar, dass dieses Vertrauen „entstehen“ könne.[17] Der das Verschwiegenheitsgebot garantierende Schutzbereich des § 148 StPO muss sich daher auch auf das Anbahnungsgespräch erstrecken.

500

Gerade in der Phase des Entstehens des Mandatsverhältnisses wird der Beschuldigte zu prüfen haben, ob er sich einem Anwalt gegenüber sieht, dem er das für seine Verteidigung notwendige Vertrauen entgegen bringen kann. Wenn man jedoch mit dem Bundesverfassungsgericht gerade das Recht und die Pflicht des Verteidigers zur Verschwiegenheit als Grundlage für das Entstehen eines Vertrauensverhältnisses ansieht, würde eine Überwachung des Gesprächs in unzulässiger Weise in das Recht des Beschuldigten, sich jederzeit des Beistandes eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen, eingreifen. Ein auf die Verschwiegenheitspflicht des Verteidigers gestütztes Vertrauen des Beschuldigten wird kaum entstehen können, wenn man den Beschuldigten darauf verweist, dem Anwalt, den er mit seiner Verteidigung beauftragen möchte, die hierzu notwendigen Informationen im Beisein eines Dritten preisgeben zu müssen, der gerade nicht der Verschwiegenheitspflicht unterliegt.

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Praxistipp

In der Praxis wird die genannte, entgegenstehende Auffassung des Kammergerichts auch kaum noch von Bedeutung sein, da Sprechscheine für Anbahnungsgespräche regelmäßig mit der Maßgabe erteilt werden, dass das Gespräch unüberwacht stattzufinden hat. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, so kann zu Beginn des Anbahnungsgesprächs mit dem Beschuldigten ein Verteidigervertrag abgeschlossen werden mit der Maßgabe, dass es ihm unbenommen bleibt, das Verteidigungsverhältnis unverzüglich wieder zu beenden, sofern in dem ersten Gespräch keine Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit gefunden wird. Legt der Verteidiger hiernach eine vom Beschuldigten unterzeichnete Vollmachtsurkunde vor, ist der Schutzbereich des § 148 StPO unzweifelhaft erreicht und das Gespräch kann sodann in jedem Fall unüberwacht fortgeführt werden.

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Auch nach Kündigung des Verteidigungsverhältnisses durch den Mandanten unterliegt derjenige Verkehr, der lediglich noch der Abwicklung des Mandatsverhältnisses dient, noch dem Privileg des § 148 StPO, da bei der Abwicklung i.d.R. noch Informationen aus dem Verteidigungsverhältnis ausgetauscht werden.[18]

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