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a) Auswahlrecht der Ermittlungsbehörden
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Üblicherweise bestellen das Gericht oder bereits die Staatsanwaltschaft, häufig sogar die Polizei im Ermittlungsverfahren einen Sachverständigen, wenn der Fall Anlass hierzu gibt. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn es den Ermittlungsorganen an der erforderlichen Sachkunde mangelt, um bestimmte, für die Entscheidungsfindung bedeutsame Umstände zu beurteilen.[48]
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Erfahrungsgemäß werden häufig dieselben Sachverständigen von der Justiz beauftragt und damit gerade auch diejenigen, die aufgrund ihrer einseitigen Beanspruchung durch die Gerichte oftmals darauf angewiesen sind, auch weiterhin von ihr mit Gutachteraufträgen bedacht zu werden.[49] Bereits aus diesem eigenen Interesse heraus werden derartige „Hausgutachter“ der Justiz – bewusst oder unbewusst – vielmals darauf bedacht sein, Konflikte mit dem Gericht zu vermeiden, was indes geeignet ist, die Objektivität ihres Gutachtens zu beeinträchtigen. Diese Gefahr besteht insbesondere im Bereich der psychiatrischen Begutachtung, da hier die von dem Gutachter gezogenen Schlussfolgerungen regelmäßig nicht anhand objektiver Kriterien validierbar sind. Hält der Sachverständige die einschlägigen methodischen Kriterien bei der Begutachtung ein[50] und verfügt er über die notwendige Sachkunde, so wird das von ihm gewonnene Ergebnis einer Überprüfung grundsätzlich vom Verteidiger nicht erfolgreich anzugreifen sein.
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Strafverfahren werden daher in der Praxis im Ergebnis häufig faktisch von psychiatrischen oder aussagepsychologischen Sachverständigen entschieden, denen sich die Gerichte zumeist im Ergebnis anschließen.[51] Die in den Urteilsgründen regelmäßig zu findenden Formulierungen, das Gericht schließe sich den Ausführungen des Sachverständigen an, der ihm „aus vielen Verfahren als äußerst zuverlässig bekannt“ ist, mag vordergründig einen Hinweis auf die besondere forensische Erfahrung des Gutachters darstellen, ist jedoch zugleich gerade ein Beleg für die immer wiederkehrende Beauftragung bestimmter Sachverständiger durch die Justiz. Ein Abweichen des Gerichts von den Empfehlungen des von der Justiz hinzugezogenen Sachverständigen oder gar die Beauftragung eines weiteren Sachverständigen stellt im Prozessalltag eine Rarität dar.
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Das Auswahlrecht des von der Justiz zu beauftragenden Sachverständigen liegt indes nach dem Gesetz bei den Strafverfolgungsbehörden (vgl. § 73 StPO für das gerichtliche Verfahren). Im Ermittlungsverfahren soll die Staatsanwaltschaft nach RiStBV Nr. 70 der Verteidigung vor der Bestellung des Sachverständigen zwar in „geeigneten“ Fällen (d.h., bei denen es auf die Person des Sachverständigen ankommen kann) Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden.[52] In der Praxis geschieht dies jedoch trotz Kenntnis dieser Richtlinie nur in Ausnahmefällen. Sollte der Verteidiger vor der Beauftragung eines Sachverständigen gleichwohl ausnahmsweise gem. RiStBV Nr. 70 angehört werden, so wird den Vorschlägen der Verteidigung bei der Auswahl des zu bestellenden Sachverständigen seitens der Justiz regelmäßig mit besonderem Misstrauen begegnet, so dass ihnen, auch bei noch so zutreffenden Hinweisen auf die besondere Sachkunde des von ihr bevorzugten Sachverständigen in aller Regel nicht gefolgt wird. Ein darüber hinaus gehendes Recht der Verteidigung, auf die Person des von den Strafverfolgungsbehörden zu bestellenden Sachverständigen Einfluss zu nehmen, existiert indes nicht.