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Europa zu Beginn des 19. Jahrhunderts
ОглавлениеNationalismus und Liberalismus sind in diesen Jahren zwei Seiten einer Medaille. Die Forderung nach nationaler Einheit und Selbstbestimmung ist verbunden mit dem Wunsch nach einer liberalen Verfassung, die den Menschen gleiche Rechte und Pflichten garantiert. Da sich diese Forderungen in Deutschland nicht durchsetzen lassen, blicken viele Intellektuelle sehnsuchtsvoll über die Landesgrenzen, wo Befreiungskämpfe den ersten Nationalstaaten Europas zum Durchbruch verhelfen.
Den Anfang machen die Spanier, die sich 1820 gegen die reaktionäre Herrschaft Ferdinands VII. (1784 – 1833) auflehnen. Nach einem Aufstand muss der spanische König notgedrungen die Konstitution der Cortes von 1812 wieder herstellen. Da aber bereits 1810 in der Cortes von Cadiz ein liberale Verfassung erarbeitet worden ist, die dem König ausführende Rechte und der Cortes das Gesetzgebungsrecht zuerkennt, ist die Herrschaft Ferdinands VII. an die Cortes gebunden. Aber Ferdinand sendet einen Hilferuf nach Frankreich, von wo 1823 eine militärische Intervention gestartet wird, die den König wieder in das hergebrachte absolutistische System einsetzt. Dennoch: Der Anfang ist gemacht und der Funke des Aufruhrs springt schnell über ins benachbarte Portugal.
Portugal wird seit dem 17. Jahrhundert absolutistisch regiert. Die portugiesische Ständeversammlung – die Cortes - ist zum letzten Mal 1669 einberufen worden und die Weigerung sich an der Kontinentalsperre Frankreichs gegen England zu beteiligen, bewirkt 1808 die Besetzung durch französische Truppen. Nach den Vorbildern im benachbarten Spanien revoltieren portugiesische Liberale gegen die politischen Verhältnisse. Im Sommer 1820 beginnt der Aufstand einige Offiziere in Porto, wodurch die „liberale Revolution“ ausgelöst wird. Ein Jahr später wähnen sich die Revolutionäre am Ziel, denn 1821 wird die erste Verfassung für das Land verabschiedet. Portugal ist nun eine konstitutionelle Monarchie, in der sowohl die Inquisition, als auch die Feudalherrschaft und die Vorrechte der katholischen Kirche abgeschafft sind. Widerwillig kommt König Johann VI. (1767 – 1826) aus Brasilien, der Kolonie Portugals, zurück und akzeptiert die veränderte politische Lage.
In England ist das victorianische Zeitalter angebrochen – benannt nach der langen Regierungszeit von Königin Victoria (1819 – 1901). Das Vereinigte Königreich befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines weltweiten Einflusses. Die an das Parlament gebunden Krone ist bei den Untertanen akzeptiert und beliebt. Victoria ist die erste englische Monarchin, die auch Kaiserin von Indien ist. Die industrielle Revolution, die in England ihren Anfang nimmt, sorgt für eine wachsende Wirtschaft. Das und das hohe Ansehen der Königin haben – vermutlich – revolutionäre Strömungen auf den britischen Inseln verhindern können.
In Griechenland beginnt am 25. März 1821 die erste erfolgreiche Revolution gegen das restaurative Herrschaftssystem des Osmanischen Reichs. Obwohl es anfänglich militärische Niederlagen gibt, gelingt es den Revolutionären zahlreiche Inseln einzunehmen. Der entscheidende Schlag aber ist im April 1821 die Einnahme Athens. Ein Jahr später wird eine erste Verfassung Griechenlands verabschiedet. Als Ägypten auf Seite der Osmanen in den Konflikt eingreift, scheint die griechische Revolution verloren, aber England, Russland und Frankreich stützten die griechischen Aufständischen. In der Schlacht von Navarino kann eine englisch-russisch-französische Armee am 20. Oktober 1827 die griechische Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich sicherstellen. Im September 1831 wird mit dem bayrischen Prinzen Otto (1815 – 1867) ein neuer König gewählt. Griechenland wird eine konstitutionelle Monarchie, die bis zum Militärputsch 1974 erhalten bleibt.
Auch in Italien finden nationale Befreiungskämpfe statt, die aber von Österreich niedergeschlagen werden. Der massive Einsatz des Militärs und die zeitweilige Besetzung der Halbinsel führen dazu, dass die alte, restaurative Ordnung wieder eingesetzt wird. Der Sieg der Revolution ist – fürs erste jedenfalls – verhindert. Nach dem österreichischen Sieg in Italien ist Europa am Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Ausnahme Griechenlands fest in der Hand der Restauration – garantiert von Russland, Österreich und Preußen.