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Fall 3 Unverhoffter Geldsegen

Themenschwerpunkte: Rechtsstaatsprinzip, Rückwirkungsverbot, Vertrauensschutz, Rechtssicherheit, Verhältnismäßigkeit

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Der ledige Arzt B kaufte sich am 1.5.2010 ein Grundstück in einer ländlichen Gegend. Da B kurz vor dem Ruhestand war, wollte er dieses Grundstück nur als Geldanlageobjekt nutzen und es nach Ablauf der sog. „Spekulationsfrist“ des § 23 I 1 Nr. 1 EStG nach 10 Jahren weiterverkaufen. Von dieser steuergünstigen Option hatte er in einem Beratungsgespräch mit seinem Steuerberater erfahren. Nach Ablauf dieser Frist am 1.5.2020 könne er nämlich den möglichen Mehrerlös als Spekulationsgewinn einkommensteuerfrei kassieren. Gesagt, getan: B verkaufte das Grundstück am 1.7.2020; aufgrund der vorteilhaften Lage des Grundstücks und eines neuen Bebauungsplans der Gemeinde konnte es einen steuerfreien Veräußerungsgewinn von 500.000 € einbringen.

Diese „Steuersparmodelle“ waren der Bundesregierung indes schon lange ein Dorn im Auge gewesen. Da seit vielen Jahren die Rentner- und Erbengeneration stetig wachse, würden die Steuereinnahmen des Staates durch derartige Modelle, die noch der Parole „Wohneigentum für alle!“ verpflichtet seien, immer mehr gemindert. Aus diesem Anlass brachte die Bundesregierung nach Zuleitung dem Bundesrat und dessen Stellungnahme eine entsprechende Gesetzesvorlage beim Bundestag ein. Der Bundestag beschloss in einem ordnungsgemäßen Verfahren ein Änderungsgesetz, das am 1.6.2021 verkündet wurde. Damit wurde die Spekulationsfrist auf 12 Jahre verlängert (§ 23 I 1 Nr. 1 EStG n.F.). Im novellierten Abs. 2 der Vorschrift wurde festgelegt, dass dieses Gesetz für alle Veräußerungen gelte, die auf einem nach dem 1.6.2020 noch bestehenden obligatorischen Vertrag oder einem gleichstehenden Rechtsakt beruhten.

B ist darüber empört, da er urplötzlich keinen steuerfreien Gewinn mehr hätte. Er habe extra deswegen noch so lange mit dem Verkauf gewartet, um steuerfreie Gewinne zu haben. Hätte er 2016 verkauft, hätte er, zwar steuerpflichtig, aber aufgrund des damals ausgesprochen günstigen Immobilienmarktes immerhin ca. 700.000 € Gewinn erzielen können. In einem Gespräch mit dem befreundeten Bundestagsabgeordneten X erfährt B, dass die Verlängerung der Spekulationsfrist grundsätzlich möglich sei. Schließlich handele es sich bei der Spekulationsfrist um eine begünstigende Regelung, da Veräußerungsgewinne nach Ablauf der Frist steuerfrei seien. Zudem müsse es dem Staat erlaubt sein, in konjunkturschwachen Zeiten weitere Geldquellen – auch durch Abbau von Steuerprivilegien – zu erschließen. Außerdem sei diese Regelung für B nicht überraschend gekommen. Seit Beginn des Jahres 2020 sei die geplante Änderung von der Bundesregierung und insbesondere vom Bundesfinanzminister in Fernsehen (darunter in einigen Polit-Talkshows) und der allgemeinen wie der Fachpresse verlautbart worden.

Bearbeitervermerk:

Wie ist die Verfassungsmäßigkeit des Änderungsgesetzes zu beurteilen?

Hinweis:

Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer (§ 2 VII 1 EStG), die erst mit Ablauf des Jahres entsteht (§ 36 I EStG).

Examens-Repetitorium Staatsrecht

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