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1. Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot
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Das Änderungsgesetz könnte aufgrund einer echten Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen verfassungswidrig sein. Das Gesetz müsste nachträglich in einen vor der Verkündung abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen. Hier kommt es zu einer steuerrechtlichen Besonderheit, da die Einkommensteuer eine Jahressteuer (§ 2 VII 1 EStG) ist und erst mit Ablauf des Jahres entsteht (§ 36 I EStG). Vorliegend hat B das Grundstück am 1.7.2020 verkauft, so dass der steuerlich relevante Sachverhalt erst am 31.12.2020 abgeschlossen ist. Darüber hinaus ist die Spekulationsfrist von 10 Jahren nach altem Recht bereits am 1.5.2020 abgelaufen, so dass ab diesem Zeitpunkt der Veräußerungsgewinn von 500.000 € steuerfrei ist. Nachdem das Änderungsgesetz am 1.6.2021 mit Wirkung für am 1.6.2020 noch bestehende Verträge verkündet wurde, ist nachträglich in den abgeschlossenen Sachverhalt der Besteuerung eingegriffen worden.[28] Für B ist aufgrund der Neuregelung die Spekulationsfrist noch nicht abgelaufen, da rückwirkend eine um zwei Jahre verlängerte Frist gilt. Dies hat zur Konsequenz, dass er den Gewinn als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften versteuern müsste. In der Diktion der Rückbewirkung von Rechtsfolgen ergibt sich nichts Anderes, da in zeitlicher Hinsicht die Rechtsfolgen des Änderungsgesetzes bereits für den Zeitraum vor der Verkündung eintreten. Somit liegt eine echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen vor.[29] Diese ist grundsätzlich verfassungswidrig.[30] Das daraus resultierende Rückwirkungsverbot basiert auf dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz. Ist das Vertrauen des Betroffenen nicht schützenswert, tritt das Rückwirkungsverbot nicht ein. Daher ist zu überprüfen, ob eine Ausnahme vom Rückwirkungsverbot einschlägig ist.