Читать книгу Examens-Repetitorium Staatsrecht - Max-Emanuel Geis - Страница 95
b) Keine Schutzwürdigkeit wegen zu erwartender Gesetzesänderung
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Eine weitere Ausnahme wäre gegeben, wenn B nicht auf den Fortbestand der 10-Jahres-Frist vertrauen durfte bzw. damit rechnen musste, dass diese Frist verlängert werden würde. Dabei kommt es entscheidend darauf an, welche Kriterien hierfür gelten. Die Schutzwürdigkeit wäre im Fall des B nicht gegeben, wenn er bereits zu dem Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen ist, mit dem Änderungsgesetz rechnen musste. Die Rückwirkung gilt für den 1.6.2020. Die Spekulationsfrist ist nach der alten Regelung am 1.5.2020 abgelaufen. Der Verkauf fand am 1.7.2020 statt. Hätte B bereits vor diesem Zeitpunkt mit dem Änderungsgesetz rechnen müssen, so besteht kein Grund, die Rückwirkung als unzulässig anzusehen. Denn unter diesen Umständen hätte B noch unter Geltung der alten Regelung, also vor Eintritt deren Rechtsfolgen am 1.6.2020, das Grundstück steuerfrei veräußern können. Laut Aussage des X wurde schon des Öfteren von der Bundesregierung, insbesondere vom Bundesfinanzminister, bereits zu Beginn des Jahres 2020 das Änderungsgesetz angekündigt. Infolgedessen hätte B damit möglicherweise rechnen können. Bloße Ankündigungen oder Äußerungen sind jedoch, auch wenn sie von der Bundesregierung kommen, nicht ausreichend. Vielmehr stellt erst der konkrete Gesetzesbeschluss den relevanten Zeitpunkt dar.[36] Auch ein Regierungsentwurf genügt nicht.[37] Denn vor diesem Zeitpunkt sind noch zu viele Unwägbarkeiten gegeben, die keine entsprechend gefestigte Dispositionsgrundlage für den Bürger bilden. Das Gesetzgebungsverfahren ist von vielen Vorgängen und Abstimmungen geprägt (vgl. Art. 76 ff. GG), so dass es dem Bürger nicht zumutbar ist, vor einem Gesetzesbeschluss überhaupt auf eine angekündigte Neuregelung zu vertrauen. Somit musste B nicht mit einer Neuregelung rechnen.