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4.

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Der Pechschaber und die Annemirl hatten einen Kaffee gekocht und rasteten sich von der Wegfahrt ein wenig aus. Dann besahen sie sich den Hausrat, den ihnen die Steinhöferin mit ihrem Stüblein vermietet hatte. In der Ecke stand eine Bettstatt mit frischem Stroh und einem Sackleinen darüber. Der Pechschaber drückte die Fäuste auf das Stroh; da tat die Bettstatt einen Seufzer. Aber der Mann redete ihr vergnügt zu: „Wegen einem bissel Arbeit, das nun wieder zu tun ist, schreit einer nicht gleich auf!“

Es war auch ein Schrank da, oben mit zwei kleinen Glastüren.

„Dahinter kommen die feinen Tassen zu stehen mit den Silbersprüchlein,“ scherzte die Annemirl; und weil die Mittagsonne so golden durch die niederen Scheiben schaute, blickte der Pechschaber sein Weib froh an.

„Annemirl,“ sagte er, „bildsauber bist mir nun aber doch geblieben! Und ist gleich lange der Staub der Landstrasse auf dich gefallen — deine blanken braunen Augen hast du wiederum hereingetragen. Und das nussbraune Sechserlein auf der Stirn auch“ —

Der Pechschaber griff danach und drehte sich das zierliche Ringlein um den Finger. Da war die Annemirl gefangen. Und nun wieder der Girgl:

„Was hast du vorhin gesagt? Die Tassen mit den silbernen Sprüchlein? Wär’ schon recht — aber es sind noch einundzwanzig Jahr, bis wir die silberne Hochzeit machen. Das ist ein wenig lang hin; bis zu der Zeit werden’s die Kaffeetöpfe tun müssen, und die kommen auf das Brett hinter den Ofen!“

Der Ofen nahm ein Viertel von der Stube ein, war aus dunkelgrünen Kacheln, und es lief eine Bank um ihn her.

Auf diese Ofenbank setzte sich der Pechschaber nun und schaute sich um: in der einen Ecke der Ofen, in der zweiten der Schrank, in der dritten das Bett, am Pfeiler zwischen den beiden Fenstern der Tisch mit zwei Stühlen. An der Wand in der letzten Ecke war eine Leiste mit Nägeln: „Für den Sonntagsstaat, wenn erst einer da ist,“ lachte der Mann. Dann nahm er sein schwarzes Blasholz vom Fensterbrett, barg’s in die Hülle zu der Geige und hing beides an einen der Nägel. „Aus ist’s!“ sagte er, und damit war die ‚landfahrende Zeit‘ beschlossen.

Nun gingen sie miteinander vors Haus, um sich die Welt anzuschauen, die um sie war.

Ein breites Tal lag zwischen den dunklen Hängen des Gebirges, so weit, dass eine kleine Stadt darin Platz gehabt hätte. Die Gipfel der Berge schwammen in bläulichem Hauch; das sanfte Wehen der Bergfichten war ringsum, und unten stürzte das schäumende Wildwasser in dumpfem Donnern seine Bahn; nach dem Gewitter von gestern tat es ungebärdig.

Die Häuser des Dorfes lagen aber nicht dicht beisammen. Warum denn nicht?

Danach fragte der Pechschaber die Steinhöferin, die gerade wieder aus der Türe schlürfte, sich an der Wand entlang tastete nnd auf der Bank Platz nahm.

„Ja, mein lieber Pechschaber,“ sagte sie, „das ist deshalb, weil das ganze Tal vordem voller Bergwald stand! Damals sind ihrer etliche gewesen, die haben Kohlen gebrannt und haben sich ihre Hütten in den Wald gebaut, wo es ihnen gerade gefiel. Na, und dann sind andere gekommen, denen hat die Landgrenze angestanden, die hier so nah ist; die haben gepascht. Und wieder andere, die haben Wilpert geschossen im Wald, weil sie dachten: Es ist einer immer satt dabei und lässt sich beim wildern gut leben. Sein Haus hat sich der eine dahin, der andere dorthin gesetzt, wo’s ihm just behagt hat; und den Wald, der um ihre Dächer rauschte, den haben sie so langsam in den Ofen gesteckt.“

Die Steinhöferin hatte das Kopftuch tief in die faltige Stirn gezogen; so bildete es ein Dächlein über ihren Augen, und es lugte nur noch die scharfe Spitze ihrer Nase in das Sonnenlicht. Plötzlich legte die Alte dem Girgl die Hand aufs Knie:

„Pechschaber,“ sagte sie, „du wirst ein Eichtl auf der Hut sein müssen mit deinem Gewerbe, mein’ ich. Früher, wie der Steinhöfer noch dagewesen ist, da haben sie die Bergfichten angerissen und ein Harz herzugeschleppt, es ist nicht zu sagen, wie viel! Aber nun ist das daherum verboten, das Pechschaben. Es ist eine närrische Zeit.“

Der Musikmann lachte:

„Steinhöferin, ich wüsst’ nicht einmal, wie das zu machen wär’, wenn man mich harzklauben schicken tät!“

„Hast aber doch den Namen?“

„Freilich wohl, Steinhöferin! Der Name ist das einzige Erbstück von meinem Vater; und wiewohl ich mein Lebtag kein Säcklein Pech aus dem Walde trag’, meinem Buben werd’ ich diesen Namen doch auch wieder vermachen. Erst wird er der Pechschaberbub; und wenn ich einst wieder landfahren geh’, — Steinhöferin, weisst, in das himmlische Paradeis — dann ist der Pechschaberbub der Pechschaber!“

Die Steinhöferin schaute sich die beiden Leute erstaunt an:

„Einen Buben habt’s auch?“ fragte sie.

Da war die Annemirl schon in die Höhe geflogen wie ein Sturmwind, zerwühlte dem Girgl die rabenschwarzen Haare und wollte ihn nun auch an dem Schnurrbart raufen.

„Glaub’s nicht, Frau!“ lachte sie. Und: „Was erzählst denn für Dinge, Girgl? Erzählst da von deinem Buben und hast gar keinen? Rein zu Narren macht er die Leut.“

Aber der Pechschaber hielt der Annemirl die Hände fest und zog sie auf sein Knie.

„Sitzen bleibst!“ sagte er. „Steinhöferin, vorhin haben wir gerechnet: Einundzwanzig Jahr sind noch Zeit, bis wir der Annemirl die Silberzweiglein ins Haar stecken. Da kann noch manches vor sich gehen, mein’ ich. Freilich, in denen vier Jahren, seit wir uns haben, du lieber Gott, da war keine Zeit zum Bubenkriegen! Aber nun: es muss einer nicht nur ein gescheit’s Weib, es muss einer auch ein lustiges Pärlein haben, das daheim fein brav Musik macht, gelt?“

Die Annemirl auf dem Knie des Pechschabers war auf einmal nachdenklich geworden. Da legte der Mann den Kopf auf die Seite, sah sie aus listigen Augen an und scherzte:

„Schafft’s dir Kopfweh, wie du am geschwindesten Ordnung in das vielerlei Ding bringst, das wir von der Wegfahrt mit in den Wald getragen haben?“

Aber die Frau blieb die vergnügten Augen diesmal schuldig. Sie sagte: „Wie man etwas zusammenträgt, darauf denk ich. Es muss ein Holz sein zum Kochen ...“

„Waas?“ fragte der Pechschaber, „ein Holz zum Kochen? Da mach ich mir fei nix draus; ein gekochtes Fleisch wäre mir lieber als ein gekochtes Holz!“

Darüber musste die Annemirl doch wieder ihr lustiges Gesicht aufstecken. Sie sprang empor und zog sich das Kopftuch hinter dem Gürtelbande heraus: „Jetzt, Girgl, einen Strick brauchen wir, und ein Holz gehen wir lesen im Wald!“

Da musste der Pechschaber gehorchen, suchte im Schupfen nach einem Strick und fand ihrer zwei.

Damit stiegen die vergnügten Pechschaberleute den Schlag hinan und verschwanden im Bergforst.

Die Musikantenstadt

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