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7 Polizeifragen
ОглавлениеIhre Hände klammerten sich um das Wasserglas, dass eine freundliche Beamtin in blauer Polizeiuniform ihr gegeben hatte. Sie saß im Wohnzimmer der Villa im Taunus auf dem Sofa und versuchte, sich zu erinnern. Was war geschehen und wie lange hatte sie hier gelegen? Neben der Beamtin hockte ein anderer Mann vor ihr und musterte sie.
»Wie geht es Ihnen?« Sie öffnete ihren Mund. Er war staubtrocken, ihr gelang es kaum, zu schlucken. Kein Ton kam ihr über die Lippen. Sie sah ihr Gegenüber an. Der Mann strahlte eine angenehme Ruhe aus. Unter seinen freundlichen, blauen Augen erkannte sie dunkle Ränder. Er nickte, als hätte sie bereits etwas gesagt. »Lassen Sie sich Zeit. Haben Sie Schmerzen?« Sie sah die Stoppeln seines Drei-Tage-Bartes verschwimmen. Schloss die Augen und atmete tief ein. »Trinken Sie einen Schluck. Wenn Sie möchten, gebe ich Ihnen etwas zur Beruhigung.«
Wer hockte da vor ihr? Die Frau in der Uniform war selbsterklärend. Stand ja Polizei drauf. Und er? War er Arzt? Sie musterte ihn. Blaue Jeans, weiß kariertes Hemd mit hochgeschlagenen Ärmeln. Da wo sie her kam, trugen Ärzte weiße Kittel. Der konnte alles sein. Aber direkt neben einer Uniform, schien in Ordnung zu gehen, was er ihr anbot. Ihr waren die Augen zugefallen. Irgendwas musste passiert sein, sie fühlte sich hundemüde. Und dann dieses Chaos.
Als sie ihre Augen wieder öffnete, hockte die freundliche Beamtin immer noch neben dem Mann, der sie beruhigen wollte. Beide sahen sie an. Sein Blick wanderte im Dreieck zwischen ihren blauen Augen und ihrem Mund. Er stand offen, immer noch staubtrocken. Sie nahm einen Schluck. »Was ...«, hörte sie ihre Stimme. Die freundliche Beamtin erriet ihre Frage.
»Sie haben uns angerufen, einen Einbruch gemeldet.« In diesem Moment hob der Mann im karierten Hemd seine Linke, als wolle er die Polizistin am Weiterreden hindern. Die Uniformierte nickte sachte und verstummte. Tolles Team, dachte sie und klammerte sich an ihr Glas.
»Warum fragen Sie mich, ob ich Schmerzen habe?«
»Sie lagen auf dem Boden und wir wissen nicht, wie sie dahin gekommen sind. Können Sie sich an irgendetwas erinnern? Sind Sie gestürzt, haben Sie jemanden getroffen oder hat Sie jemand geschlagen?«
Im Hintergrund des weitläufigen Wohnzimmers, um den Esstisch herum und in der Küche, herrschte reges Treiben. Uniformierte Polizisten erkannte sie. Zwei schwarz gekleidete Männer betraten das Wohnzimmer. Sie manövrierten eine Trage mit einem silberfarbenen Deckel durch das Chaos.
»Kann der weg?«, fragte der Jüngere viel zu laut. Die üblichen Tatortprofis sahen ihn entsetzt an. Die Frau auf dem Sofa presse die Augen zusammen und biss auf ihre Unterlippe. »Scheiße« nuschelte er kleinlaut. »Tut mir leid.« Presste er mit rotem Kopf in Richtung der zierlichen Frau heraus. Sie strich ihr braunes Haar aus dem Gesicht und nickte. Der Mann, der vermutlich Arzt war, hockte immer noch vor ihr und musterte sie, als hätte er Sorge, sie verabschiede sich in eine Ohnmacht. Er hob seine Augenbrauen, schüttelte missbilligend den Kopf über den Bestatter. Sie sprang auf, schaffte es noch, die schwere Schiebetür zu öffnen, und kotzte im Schwall auf die Terrasse.
»Können Sie sprechen?«, fragte die Beamtin leise. »Wir können das sonst auch später machen, der Arzt kann Ihnen was zu Beruhigung geben«, bot sie an.
»Nein, es geht. Danke.« Sie hatte richtig getippt. Der Mann im Hemd war der Arzt. Er hatte sie offenbar nicht gehört. Er kramte in seiner Tasche und knautschte eine Tablette aus einem Blister, hielt sie ihr hin. »Nehmen Sie das und trinken Sie.«
»Verraten Sie mir Ihren Namen?«
»Jelena.«
Die Beamtin notierte alles in einer kleinen schwarzen Kladde. Das kleine Buch war ziemlich dick, und sie fing weit vorne an, zu schreiben. Den Platz wirst du nicht brauchen, dachte sie. »Was haben Sie hier gemacht, ich meine, weshalb waren sie hier?«
»Ich bin dreimal die Woche hier. Ich kümmere mich um den Haushalt, die Küche, Wäsche und sowas.«
Die Beamtin nickte. »Können Sie uns von heute Morgen erzählen? Was war wie immer und ist Ihnen irgendetwas aufgefallen? Uns interessieren Kleinigkeiten, die Ihnen belanglos erscheinen.«
»Im Flur lagen Scherben. Ich dachte sofort an Einbrecher.«
»Wie sind sie hereingekommen?«
»Die Einbrecher?«
»Nein Sie.«
»Ich habe einen Schlüssel. Ich komme oft, wenn niemand da ist.«
Die Beamtin sah den Mann im Hemd an und hob die Augenbrauen. »War heute irgendetwas anders, als sie hier ankamen?« Jelena nickte. »Sein Wagen war da.«
Sie berichtete, dass ihr das merkwürdig vorkam. Sie dachte aber, dass er seinen Chauffeur gerufen hatte. Ein Stuhl im Esszimmer lag auf dem Boden, das hatte sie stutzig gemacht. Davon, dass sie diese Arbeit seit Jahren machte, erzählte sie auch. Dass sie aber nicht mehr lange putzen dürfte, erwähnte sie mit keinem Wort. Auch nicht die gemeinsamen Reisen, die Zeit auf Mallorca.
Sie verschwieg auch, dass er sich von seiner Frau trennen wollte. Genau genommen hatte er das längst getan. Jelena glaubte nicht, dass seine Frau nichts wusste. Sie glaubte aber auch nicht, dass sie ihm so etwas angetan hätte. Immerhin waren sie seit zwei Jahrzehnten verheiratet.