Читать книгу Tod am See - Max van Berque - Страница 5
2 Zu dritt
ОглавлениеDie Stufen knarzten unter den hohen Absätzen ihrer dunkelblauen Pumps. Gemeinsam verließen Sie das ehrwürdige Gebäude des Notars. Die schwere polierte Holztür fiel polternd ins Schloss. Sie schüttelte den Kopf. »Du bist verrückt.« Er lächelte, wie er es immer tat, wenn sie ihn als verrückt bezeichnete.
Adam und Jelena gingen Arm in Arm. Sie fielen auf, zwischen den Flip-Flop tragenden Touristen. Die in Gruppen durch die Altstadt Palmas flanierten. Sie in einem dunkelblauen Kostüm, deren Ausschnitt die blaue Spitze ihres BHs ahnen ließ. Er in seinem anthrazitfarbenen Anzug. Auf die Krawatte hatte er verzichtet. Sie gaben ein wunderschönes Paar ab und niemand hätte vermutet, dass er ihr alles, was sie heute auf dem Leib trug, vor wenigen Tagen erst gekauft hatte. Schon das war eine Überraschung, die ihm gelungen war. Dann hatte sie die Tickets nach Palma in ihrem neuen Trenchcoat entdeckt und jetzt hatte er ihr gezeigt, wie ernst er es mit ihr meinte. »Was machen wir jetzt?«, in ihrer Stimme lag ein anzüglicher Ton.
»Wir kaufen Perlwein.«, er lachte verschmitzt. Adam spielte mit seiner ostdeutschen Vergangenheit. Perlwein sagte längst niemand mehr. Und das süße Getränk, das damals damit gemeint war, daran dachte er nicht im Traum. Trocken, spanisch und kalt sollte der Cava sein. Er steuerte zielsicher das nächste Restaurant im Schatten der Kathedrale an.
»Im Supermarkt kostet der die Hälfte.«, gab Jelena zu bedenken.
»Wir brauchen ihn aber eiskalt und jetzt.«
Sie nickte gewichtig. Ihr Blick wechselte in einen gequälten Ausdruck. »Diese Strümpfe jucken.«
»Ja ich gebe es zu, für Strapse und das passende Strumpfwerk ist es ein wenig warm geworden. «
Sie legte ihren Kopf schräg. »Du musst sie ja nicht tragen.«
»Das gehört alles zu meinem Plan.« Damit zog er sie in das Restaurant. Mit einer Flasche spanischem Sekt kletterten sie kurze Zeit später in einen uralten eckigen Panda. Der klang bei jedem Startversuch, als wäre es sein letzter.
»Es ist wunderschön hier.« Jelena trommelte auf das Lenkrad des alten Fiat. Adams Blick schweifte über die Postkartenlandschaft. Vorbei an uralten Bäumen. Die Ausläufer der Inselhauptstadt hatten sie hinter sich gelassen. Jetzt verließen sie auch die ausgebaute Landstraße. Der staubige Weg führte durch riesige Artischockenfelder. Deren distelartige Delikatesse noch ein paar Wochen brauchte, bis zur Ernte. Vorbei an einer alten Mühle, deren Flügel irgendwer längst abgeschraubt hatte.
Der Garten des alten Landhauses quittierte die Arbeit der letzten Wochen mit einem Duft nach frischen Kräutern. Das Haus versteckte sich hinter der Farbexplosion einer rot leuchtenden Bougainvillea, die bis über die Dachrinne auf die verwitterten Dachziegel reichte.
Jelena Schloss die Augen. Es kam ihr vor, wie ein Traum. Jahrelang hatte sie sein Haus geputzt. Bis zu diesem Tag, an dem es wie aus Kübeln schüttete, und er sie nach Hause fuhr. Bis zu diesem Tag hatte sie ihn nicht wahrgenommen. Ein freundliches Grüßen wenn sie sich begegneten. Mehr gab es nicht.
Sie hätte sich niemals erlaubt, ihn anzusprechen. Er hatte es getan. Und er erzählte von seinem Leben. Weil er nicht ging, sie ihn nicht rausschmeißen wollte, begann sie zu kochen. Für ihre Freunde. Damals in der dunklen Kellerwohnung mit alten Möbeln. Irgendwann stand er neben ihr, wusste nicht, wie man Gemüse putzt oder Kartoffeln schält. Er war nicht einmal gegangen, als ihre Freunde eintrafen. Von da an, war er gar nicht mehr gegangen. Nicht so richtig.
Sie gingen Schwimmen. Nicht im teuren Spa wo er vorher schwamm, sondern im See. Sie trafen sich zum Essen, aber nicht in den angesagten Restaurants, sondern zuhause. Er kaufte ein, sie kochten gemeinsam. Es war, als lebte sie ihr Leben weiter und der Platz neben ihr, war endlich besetzt. Von ihm. Sie hatte keinen Partner gesucht, weil sie nicht wusste, wie leicht Glück sein konnte.
»Lass uns nach einem Weg suchen dieses Glück zu teilen.« Das gefiel ihr so an ihm. Er dachte nie nur an sich. Er wollte, dass es den Menschen um ihn herum gut ging. Und dieses um ihn herum fasste er sehr weit.
»Ja. Aber jetzt gerade geht das nicht.« Sie setzte sich auf seinen Schoß und küsste ihn. Er öffnete den Reißverschluss. Lautlos glitt ihr Kostüm von den Schultern. Es legte den Blick auf ihre blasse Haut und die dunkelblaue Spitze frei. Immer stärker hob sich ihr Brustkorb. Die geleerten Sektgläser ließen sie auf der Terrasse zurück. Sie zog ihn aus dem Stuhl ins Schlafzimmer.
Die Sonne malte immer längere schwarze Schatten der Olivenbäume auf den Boden der roten Erde. Jelena und Adam prosteten sich zu. Sie saßen auf der Terrasse. Die Tapas waren die erste Speise, die seit dem Frühstück zu sich nahmen. Dazu gab es einen Wein aus der Gegend, den ein Freund zu ihrer Ankunft gleich im Ballon dagelassen hatte.
»Das Paradies hat Risse.« Er sah sie überrascht an. »Nicht unseres. Aber das hier um uns herum. Jeden Sommer kommt wieder dieselbe Katastrophe auf diese wunderschöne Insel zu. Käme nicht laufend riesige Tankschiffe vom Festland, gäbe es keinen grünen Strauch mehr auf der Insel. Geschweige den einen Wasserhahn aus dem auch nur ein Tropfen käme.«
»Der Wassermangel. Ich weiß. Und das alles nur aus Gier. Jeden Sommer kommen die Touristen duschen die Insel leer und was dann noch nicht weg ist, landet in den Pools der Last-Minute-Hotels.«
»Dabei sind die billigen Hotels nur noch ein Problem.«, warf er ein. »Ein weiteres sind die Ferienanlagen mit Wohnungen und Häusern. Der Tourismus soll hochwertiger werden. Das hat zur Folge, dass sie hier immer mehr gebaut haben. Bauland verteuert sich, die Mieten steigen. Immer mehr Menschen können diese Preise nicht mehr bezahlen.«
Jelena nickte nachdenklich.
»Und weil die Ferienhäuser den größten Teil des Jahres leerstehen, haben sich die ersten Menschen das zurückgenommen, was sie nicht bezahlen können, was aber nicht genutzt wird. Blöd ist nur, wenn die Besitzer kommen.«
»Verstehe ich nicht.«
»Immer mehr Menschen auf der Insel besetzten Häuser. Das passiert bevorzugt in Wohnanlagen oder Villen, die lange Zeit Leerstehen.«
»Oha, dass das gibt Ärger.«
»Aber ohne Folgen. Nach spanischem Recht können die Hausbesetzer nicht aus den Häusern vertrieben werden. Das geht nur, wenn es innerhalb der ersten 48 Stunden angezeigt wird.«
»Leider sind diese armen Menschen oft äußerst aggressiv. Sie nehmen sich alles, was sich zu Geld machen lässt und verkaufen es. Die Besitzer selbst, können nur zusehen, wie ihre Stereoanlagen, Küchengeräte und Flachbildschirme weggeschleppt und verkauft werden.«
»Wenn du dir die Miete nicht mehr leisten kannst, droht dir die Obdachlosigkeit im Paradies. Das ist bitter.«
»Zum Glück ist hier nichts zu holen.« Adam sah sich um. »Nur das Nötigste und alles ganz einfach.«
Jelena schüttelte ihren Kopf. »Da wo ich her komme, ist nichts zu holen. Hier hast du schöne Möbel, eine tolle Küche, Fenster, eine Heizung, sogar einen Holzofen. Außerdem steht hier ein Fernseher. Du vergisst, wie gut es dir geht.«
»Wie gut es dir geht.«, korrigierte er sie lächelnd.
»Ich habe es nicht vergessen.« Sie griff nach seiner Hand. »Wann sagst du es ihr?«
»Wenn wir eine Wohnung haben.«
Sie horchte auf. Damit war er weiter, als er es bisher immer behauptet hatte. »Sie kann die Villa behalten. Ich glaube, sie bedeutet ihr mehr als mir.«
Jelenas Augen folgten ihm. Das gefiel ihr auch an ihm. Er wollte keinen Krieg. Alle sollten zufrieden sein. Und wenn alle so handelten wie er, wären auch alle zufrieden, davon war sie überzeugt.
»Es wird sie nicht schockieren. Sie ahnt es längst.«
»Glaubst du?«