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»Wir sind die United Versicherungsholding Germany GmbH. Es geht um ... .« Jelena schwieg, sie musste weitersprechen. Lange Namen machen Eindruck, hatte sie gehofft. »Sie haben vom Ableben des Professors gehört? Als sein Koch wussten Sie Bescheid.«, mutmaßte sie, ohne einen Funken des Zweifels in ihrer Stimme anklingen zu lassen. »Wir sind gehalten, nachzuforschen, wer von seiner lebensgefährlichen Schwäche wusste. Es geht in diesem Zusammenhang um das Wohl seiner Familie. Die Auszahlung der Versicherungssumme, wir bitten Sie daher, Ihrem Kollegen und seinen Angehörigen auf diesem Wege zu helfen.« Jelenas Stimme klang zuckersüß, um nicht zu sagen verführerisch. Sie saß an ihrem alten Küchentisch mit der weiß, grauen Kunststoffbeschichtung aus den siebziger Jahren. Über der zerkratzten Platte baumelte eine ebenso alte Lampe im Korbdesign. Im schummrigen Licht der einzigen Glühbirne hielt sie den Hörer des Telefons. Vor ihr lag ein Blattpapier mit dem Namen der Versicherung, der ihre Erfindung war. Falls ihr Gegenüber nachfragte, konnte sie den Namen noch einmal ablesen. Nichts war peinlicher, als bei einer Gegenfrage ins Stottern zu geraten. Es hätte ihren Bluff sofort zum Einsturz gebracht. Neben dem Blatt Papier lag ein Haufen gebrauchter Taschentücher. Der Schmerz überkam sie jedes Mal unvermittelt. Sie hoffte, dieses Telefonat durchzustehen und vor allem irgendetwas herauszufinden. Dass Versicherungen nachforschten, war durchaus üblich. Könnte die Versicherung belegen, dass es bei diesem Todesfall womöglich nicht mit rechten Dingen zugegangen war, dann wären die Ausgaben für die Nachforschungen Peanuts zu dem, was sie der Witwe und dem Unternehmen zahlen musste.

Die Reaktion ihres Gesprächspartners überraschte sie. Sie hatte den Chef der Kantine des Unternehmens angerufen. Er musste sein Geheimnis kennen. Anders hätte er kaum für den Chef und seine Gäste kochen können. Sie versuchte, gleichmäßig zu atmen, damit der Koch am anderen Ende der Leitung keinen Verdacht schöpfte, dass er nicht mit der Mitarbeiterin einer Versicherung sprach. Aus dem Telefon drang ein schweres Atmen. »Wir kannten uns gut. Er war ein netter Kerl, aufgeschlossen, aber in diesem Punkt litt er unter Verfolgungswahn. Das hat keiner gewusst.«

»Entschuldigung, nur für meine Einschätzung, wie gut kannten Sie ihn.«

»Warum will ihre Versicherung das wissen?«

Sein Tonfall verriet ihr, dass er misstrauisch war. »Wer sagt mir, dass Sie nicht von der Presse sind? Und gerade losziehen, um Witwen zu fleddern?«

Sie brach in Tränen aus. Ihr Plan, hinter den Tod ihres Geliebten zu kommen, war soeben geplatzt. Sie hatte keinen anderen Ansatz, den Täter zu finden. Bei der Polizei kannte sie niemanden, der ihr weiterhalf. Im Gegenteil bei denen stand sie auf der Liste der Verdächtigen. Ihr fester Wohnsitz und die Einschätzung des Arztes hatten sie vor einer Festnahme gerettet. Aber sie zählte immer noch zum Kreis der Verdächtigen. Sie war Chemikerin. Also kannte sie sich besser mit den Elementen aus, als kriminellen Energien nachzuspüren. Mit der Linken griff sie nach einem Papiertaschentuch. Wenn noch mehr von ihrer Welt zusammenbrechen konnte, passiert das in diesem Augenblick. Sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Sie hatte ihre Heimat verlassen. Alle, die sie begleitet hatten, waren gestorben oder zurückgekehrt. Sie hatte von Anfang an nicht an das Schlaraffenland geglaubt, indem es Wohlstand ohne Arbeit gab. Sie hatte sich Arbeit gesucht. Zum Teil geduldet, zum Teil verboten. Das war eine harte, einsame Zeit gewesen. Dann war dieser Mensch in ihr Leben getreten. Sie hatten sich verliebt. Ohne es zu wollen. Immer mehr waren sie zu einem Paar zusammengewachsen. Jetzt stand sie wieder allein in der Fremde. Und musste sich gegen den Verdacht wehren, einen Menschen getötet zu haben. Soeben wollte sie den Hörer in die Gabel legen. Da hörte sie die Stimme am anderen Ende leise fragen. »Kannten Sie ihn gut?«

Sie bekam keine Luft. Der lange Name vor ihr auf dem Blatt verschwamm. Sie nickte. Wissend, dass er sie nicht sehen konnte. Trotzdem nickte sie heftig.

»Ziemlich.«, hörte sie sich leise sagen.

»Können sie das irgendwie ...?«

Die Stimme verstummte. Der Koch überlegte. »Was machte er an den Wochenenden? Ich meine können Sie mir sagen, womit er seine Zeit verbrachte? «

Sie holte tief Luft. »Ich kann ihnen sogar sagen, wo er an den Wochenenden war.«

Das genügte ihrem Gesprächspartner. »Wir müssen uns treffen. Heute. 22.00 Uhr vor der Firmenzentrale. Warten Sie vor dem Hauptportal auf der anderen Straßenseite. Kommen Sie auf keinen Fall direkt vor das Gebäude und seien Sie nicht zu früh dort.« Jetzt knackte es in der Leitung. Sie sah den Hörer des veralteten Telefons an. Mit dem Papiertaschentuch wischte sie ihre Tränen aus dem Gesicht. Was erwartete Sie und warum diese Warnungen? Schatten huschten über ihre Zimmerwand. Sie blickte zur Scheibe. Sie zuckte zusammen, ahnte, wie der Wind die Äste vor ihrem Kellerfenster hin und her peitschte. Die Schatten suchten ihren Weg, vor dem fahlen Licht der Straßenlaterne bis auf die nicht mehr weiße Wand in ihrem Kellerzimmer. Mehr konnte sie durch die regennasse Scheibe nicht erkennen. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie sah sich um.

Tod am See

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