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Der Weiße Sonntag – Mein Weißer Sonntag

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Endlich ist der Weiße Sonntag da! Das Wetter ist schön. Gott sei Dank regnet es nicht, denn ich hätte keinen Mantel, keine Jacke, keinen Umhang. Aber Jesus hat Verständnis für seine Kommunionkinder. Ich muss schon früh aufstehen, damit ich ja rechtzeitig fertig werde. Es gibt kein Frühstück, denn Jesus’ Leib soll in Form einer Hostie vor dem Essen in mich eingehen. „Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehest unter mein Dach …“

Das Zimmer ist voll, man kann sich kaum umdrehen. Papa liegt noch im Bett. Da ist er wenigstens nicht im Weg. Tante Resi aus Fürth und Tante Kuni aus München sind da, außerdem Mama, Tante, Beate und ich. Gebadet habe ich schon gestern Abend in der Zinkwanne im Wohnzimmer. Jetzt gibt es nur eine normale Morgenwäsche.

Anschließend werde ich eingekleidet. Alles passt wunderbar. Tante Kuni hält schon die Brennschere und Papier bereit. Erst werden die Haare aufgewickelt und die Papierwuggerl entfernt. Am Papier probiert Tante erst aus, ob die Brennschere nicht zu heiß ist und mir die Haare versengt. Nun bringt sie damit meine Stopsellocken in Form.

Es läutet schon zum Hochamt; ich kann endlich gehen. Alle begleiten mich bis zum Hoftürl und schauen mir voller Stolz nach. Mutti eilt herbei, denn sie geht mit mir. Die Tanten wollen in einigen Minuten direkt in die Kirche nachfolgen.

Vor der Schule versammeln sich alle Kommunionkinder und nehmen in Zweierreihen Aufstellung. Die Buben gehen voraus. Alle tragen dunkle Anzüge, die Mädchen gehen in Weiß. Wir bewundern uns gegenseitig, aber jede meint, die Schönste zu sein. Es ist wirklich zu bestaunen, wie es alle Eltern geschafft haben, ihre Kinder so einzukleiden. Eine, die Marianne, hat sogar Seidenstrümpfe und weist alle darauf hin. Natürlich bewundern wir ihre seidenbestrumpften Beine.

Wir werden nochmals zur Aufstellung ermahnt. Unter Glockengeläut ziehen wir in einer feierlichen Prozession in die Kirche ein. Die Eltern, auch alle in Festtagskleidung, frisch onduliert oder mit frischen Wuggerl, stehen in der vordersten Reihe und bewundern ihre heiligen Kinder. Natürlich sind auch alle anderen aus dem Dorf da. Die Kirche kann nicht alle Gläubigen fassen.

Ein feierliches Hochamt wird gehalten, mit einer wunderbaren Predigt, die auf die hohe Bedeutung des heutigen Tages hinweist. Es läutet zur Wandlung. Die Hostie wird zum Leib und der Wein zum Blut des Herrn. Dies ist das Geheimnis des Glaubens!

Nun ist endlich der Augenblick gekommen, wir schreiten zum Tisch des Herrn. Ich bin wirklich ganz erfüllt von dem Gedanken, dass Jesus nun bei mir eingekehrt ist.

Nach den Kindern gehen die Eltern und Verwandten zur Kommunion. Mutti geht nicht. Sie darf nicht! Sie ist von den Sakramenten ausgeschlossen, denn sie hat einen geschiedenen Mann geheiratet! Trotzdem steht sie in ihrem einfachen, aber kleidsamen Kostüm mit hocherhobenem Haupt in der Kirchenbank. Nein, sie ist stolz auf ihren Mann. Sie zeigt weder Demut noch Reue.

Es ist fast Mittagszeit, bis wir heimkommen. Mama hat schon ein gutes Frühstück mit Kuchen und Kaffee hergerichtet. Natürlich erhalte ich auch kleine Geschenke. Mama macht mir das schönste Geschenk. Ich bekomme ihren Porzellanengel, der unter einem Glassturz steht. Den hat sie selbst zu ihrer Erstkommunion bekommen. All diese schönen Dinge stehen auf dem Fenstersims, weil sonst kein Platz ist.

Mit heiterer Unterhaltung genießen wir das Frühstück. Anschließend wird bald zum Mittagessen aufgetragen. Was Mama wieder Gutes gekocht hat! Grießnockerlsuppe, Schweinebraten, rohe Klöße und Kartoffelsalat, als Nachspeise Apfelkompott.

Kaum ist das Mittagessen eingenommen, brechen wir wieder auf, um in die Kirche zur Andacht zu gehen. Hernach müssen wir alle noch in den Pfarrhof, um dort unser Gedenkblatt entgegenzunehmen.

Mama ist schon dabei, den Nachmittagskaffee und den Kuchen herzurichten. Es gibt sogar eine Torte. Für eine Cremfüllung hat es nicht mehr gereicht, so hat Mama diese mit Apfelkompott gefüllt.

Tante Resi schaut im Hof mit dem Papa die jungen Hasen im Stall an. Mama meint, ich solle der Tante Resi sagen, sie solle zum Kaffee reinkommen. Ich stehe auf, gehe ans Fenster, klopfe an die Scheibe. Da passiert mir ein Unglück. Ich stoße an den Engel mit dem Glassturz. Er fällt und zerschellt in unzählige Scherben. Alle im Zimmer schauen entsetzt zum Fenster. Ich bin wie gelähmt, die Tränen rinnen mir über das Gesicht. Der Sturz ist kaputt, aber der Engel steht unverletzt da. Daraufhin beruhigen sich alle wieder. Vielleicht kommen ja mal wieder Zeiten, in denen man so einen Glassturz kaufen kann.

Zum Weinen bleibt auch keine Zeit, denn Onkel Hans und Mutti eilen mit mir zum Bahnhof, um den Zug nach Ingolstadt zu erreichen. Wir müssen doch Fotos machen lassen! Im Zug und in der Stadt sieht man überall Kommunionkinder, die alle mit wichtiger Miene hin und her laufen. Es ist ein schönes Stück Weg vom Nordbahnhof in die Milchstraße. Als wir dort beim Foto Scheuerer ankommen, haben wir eine lange Schlange von Wartenden vor uns. Aber endlich sind auch wir an der Reihe. Mutti streicht mir noch schnell die Haare aus dem Gesicht und richtet meine Stopsellocken. Ich will ein ganz heiliges Gesicht machen. So schaue, besser gesagt, starre ich in die Kamera.

In der Stadt wird auch noch Eis verkauft. Da meint Onkel Hans, an so einem Tag solle ich schon ein Eis bekommen. Er nimmt es auf sich, sich in die Warteschlange einzureihen, und kommt letztendlich wirklich mit drei kleinen Kugeln in einer Waffel zurück.

Schon eilen wir wieder zum Nordbahnhof und kommen müde und erschöpft zu Hause an. Natürlich muss ich mein Kleid sofort ausziehen. Mama prüft mit kritischem Blick, ob es noch sauber ist. Wirklich, sie hat nichts auszusetzen.

Die Zuhausegebliebenen haben den Nachmittag gut verbracht. Nun gibt es am Abend noch ein wenig Essen. Ich bin aber so müde, dass ich bald ins Bett auf das kleine Sofa im Flur gehe.

Ein wunderschöner, aber auch anstrengender Tag ist vorbei.

Aus, Äpfel, Amen (2) Ria, de Kloa 1948 bis 1951

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