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Das Hochwasser

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Der Winter neigt sich dem Ende zu, das Wetter wird milder, es leint und das eigentlich schnell. Dadurch kommt es, wie fast jedes Jahr, zu Hochwasser. Bei den Meiers, wo die Tante wohnt, stürzt das Wasser die Bergstraße vom Gstockets her, vorbei an Pöschel, Birkner und Nerb herunter. Der schmale Lentinger Manterinbach tritt draußen im Seebach schon über seine Ufer und füllt die breite Senke fast bis zur Kriegsstraße aus. Auch in der Schwemme, wo sonst an Samstagen die Pferde gewaschen und gestriegelt werden, breitet sich der Bach ins Uferlose aus. Die Gerners können das Haus nicht mehr verlassen und in einem Sautrog, der als Boot dient, wird die Frau Gerner an Land ins Trockene gebracht.

Ich in meiner Neugierde – oh, das ist das falsche Wort, denn neugierig bin ich nicht, sondern seh- und wissbegierig – laufe direkt am Rande des Hochwassers entlang. In meinen fast neuen Schnürstiefeln, deren Kauf sich Mama direkt vom Mund abgespart hat, stapfe ich durch die sumpfige Wiese und achte auf nichts. Mit vollkommen verdreckten Schuhen, an denen jetzt auch noch ein Absatz fehlt, komme ich heim. Mama ist entsetzt. Sie fängt wegen des fehlenden Absatzes zu schimpfen an. Mama versteht nicht, dass ich einfach genau sehen musste, ob vielleicht auch ein ganzes Ochsengespann oder eine Frau mit einer Kirm auf dem Rücken vorbeischwimmt, wie es Mamas Mutter früher mal bei einem Donauhochwasser gesehen hat.

Für mich ist das Hochwasser auch interessant, weil dort, wo jetzt der Bach läuft, der Sage nach in ganz, ganz früheren Zeiten ein breiter Fluss gewesen sein soll, der die ganze Breite des Tales ausfüllte. Dieser Fluss wurde von Schiffern mit Booten befahren. Wo das heutige Dorf ist, soll eine Anlegestelle gewesen sein, daher kommt der Name des Dorfes, der damals „Landing“ lautete und später zu Lenting wurde. Oben auf der Höhe, wo heute die Kirche steht, soll eine Kapelle errichtet worden sein, die dem Heiligen Nikolaus, dem Heiligen der Schiffer, geweiht wurde, der auch heute noch der Schutzheilige der Pfarrei ist. Beim Anblick des Hochwassers kann ich mir genau vorstellen, wie das damals ausgesehen hat.

Auch ein Hochwasser kann also trotz dreckiger Schuhe geistige Anregung bringen.

Aus, Äpfel, Amen (2) Ria, de Kloa 1948 bis 1951

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