Читать книгу Aus, Äpfel, Amen! Mia, die Feder - Mia May - Страница 8
MEINE EXISTENZ VOR MEINER GEBURT
ОглавлениеEs heißt, man kann sich frühesten ab dem 3. Lebensjahr an die Vergangenheit erinnern.
Was war aber vor meiner Geburt? Habe ich vor dem Aufenthalt im Bauch meiner Mutter schon gelebt? Ich meine, haben mein Geist, meine Seele schon vorher existiert?
Aus meinem Unterbewusstsein steigt eine Geschichte empor und ich glaube, so war das wirklich. Und so erinnert sich mein Unterbewusstsein: Bevor Kinder auf die Welt kommen, sind sie kleine Seelen, die den Engeln verwandt sind. Sie halten sich im Paradies auf und bleiben dort, bis sie auf die Erde geschickt werden. Sie tummeln sich auf rosa und weißen Wölkchen, sie beten, musizieren, singen, lachen, unterhalten sich, fliegen umher und treffen sich mit anderen Seelchen.
Sie lesen Engels- und Erdgeschichten und natürlich tratschen sie auch unter- und übereinander.
Es gibt auch Freundschaften unter ihnen. Ich bin mit Ra sehr eng befreundet.
Wir unterhalten uns oft darüber, wie wohl unser Leben auf Erden sein wird. Wir werden wohl wie hier auch unten auf der Welt ein schönes Leben führen. Davon sind wir jetzt schon überzeugt. Wir werden Mittel und Wege finden, denn wir sind doch zwei Supergescheite.
Besonders gern blicken wir durch Wolkenfenster und beobachten die Menschen. Das Erdentreiben ist so interessant für uns, weil wir doch eines Tages runter und auch dort leben müssen. Was es da alles zu sehen gibt! Wir können nicht genug schauen.
Die Menschen lernen, studieren, arbeiten, feiern Feste, sind lustig und traurig, gesund und krank, dumm und gescheit, sie lachen und weinen, kämpfen, siegen, gewinnen und verlieren, sie hassen und sie lieben sich.
Ra hat eine rosa Brille, die sie zwischen den Wolken versteckt hält, denn offiziell ist diese nicht erlaubt. Aber wenn wir die Welt durch diese Brille anschauen, sieht man alles nur schön und so fehlerlos wie hier im Paradies und dieser falsche Eindruck soll laut Paradiesvorschriften nicht vermittelt werden.
Ra will deshalb die Brille an der Paradiespforte abgeben, aber ich bitte sie darum, denn die Benutzung gefällt mir und Ra schenkt sie mir.
Eines Tages, als wir uns wieder unseren Beobachtungen hingeben, sehen wir eine frühere Seele, die Joh, die sich nun auf Erden aufhält.
Ich kann mich noch genau erinnern, welche Wünsche Joh vor ihrer Sendung Gott gegenüber äußerte.
„Ich will schön, reich, gesund, erfolgreich und berühmt sein. Ich will immer viel Geld haben.“
Gott meinte darauf lakonisch: „Wenn es sonst nichts ist, das kann dir alles erfüllt werden. Aber willst du keine Liebe?“
„Ach, wenn sich alle meine Wünsche erfüllen, dann kann ich mir alles kaufen, alles was ich will.“
Und nun sehen wir plötzlich Joh.
Joh wurde als Mann auf die Erde geschickt. Und wirklich, Gott hat all seine Wünsche erfüllt. Wunderbar so ein Leben! Er muss einfach glücklich sein!
Doch dann zoome ich mir das Gesicht von ihm her. Die Augen sind ohne Glanz und wirken leer.
Er ist unglücklich. Er hat alles, alles erreicht, aber die Menschen lieben ihn nicht. Natürlich heucheln ihm die Menschen um ihn herum Freundschaft und Liebe vor, aber all das nur, um sich Vorteile durch ihn zu sichern.
Das werde ich mir merken, wenn ich mal nach meinen Wünschen gefragt werde.
Eines Tages ist es soweit, dass ich zu Gott dem Vater gerufen werde.
Ich bin schon ganz aufgeregt und flattere hin und her. Wie wird das Gespräch verlaufen?
Ein großer Engel geleitet mich zu Gott.
Er, Gott ist in ein strahlendes Licht gehüllt und schaut mich liebevoll an.
„Nun Ma, (dies ist mein Name hier), bist du bereit für die Erde?“ Ich kann nur nicken, denn zu groß ist meine Ehrfurcht vor dem Schöpfer.
„Ich sehe, du bist eine weiche, weibliche Seele und so werde ich dich in einem Mädchenkörper zur Erde senden.“ Ich habe keinen Einwand.
„Was wünscht du dir denn von deinem Erdendasein Ma? Willst du eine schöne Schauspielerin sein? Oder vielleicht eine begnadete Sängerin? Oder eine berühmte Tänzerin?“
Eigentlich möchte ich all diese Vorteile bei mir wahrnehmen. Besonders das Schönsein würde mir schon gefallen, aber wenn ich an Joh denke, nein, nein, nein!
Ganz zurückhaltend meine ich: „Ich will gar nicht viel und ich habe nur ganz bescheidene Wünsche.“
„Und die wären?“
„Ich will eigentlich nur, dass ich Menschen lieben kann und dass die Menschen mich lieben, ohne dass ich besonders gescheit, berühmt, reich oder schön bin.“
Oh Gott, das mit dem Nicht-schön-sein ist mir zu schnell rausgerutscht. So ernst habe ich das nicht gemeint. Aber nun habe ich das schon gesagt. Ich setze meinen Wunsch fort: „Die Menschen, das heißt nicht alle Menschen, aber wenigstens einige, sollen mich einfach lieben, so von ganzen Herzen und einfach so, weil ich es bin.“
Da schmunzelt Gott und meint: „Du denkst, dass deine Wünsche bescheiden sind?“ Er streichelt mir über die Wange. „Glaub mir, dein Wunsch ist der größte, den Menschen haben können. Lieben und geliebt werden, so aus tiefem Herzen, das ist das größte Glück, das man auf Erden erreichen kann. Dieses Glück zu finden ist gar nicht einfach und oft mit vielen Opfern und auch Leid verbunden. Aber wenn du dich anstrengst, kann es sein, dass du dieses Ziel erreichen wirst. Und noch etwas, lass die rosa Brille hier.“
Dann bin ich entlassen.
Auf die rosa Brille will ich aber nicht verzichten und verstecke sie schnell in einer Seelenfalte.
Der Engel geleitet mich zur Paradiespforte, klopft mir noch auf die Schulter, „Mach es gut, Ma!“ und ich schwebe meinem irdischen Leben entgegen, die rosa Brille fest an mich gedrückt.
Ist es der Wind oder höre ich die Stimme Gottes flüstern: „Wer nicht hören will, muss fühlen.“
Dann schwinden meine Sinne und die Erinnerung an das Paradies ist ausgelöscht.