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4. Fremdheit und Verbindlichkeit

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Aufgabe der Hermeneutik

Es bleibt zu klären, was die Forderung, die aufgezeigten Fremdheiten zu achten, für die theologische Arbeit konkret bedeutet. Solche Klärung ist Aufgabe der Hermeneutik, der Lehre vom Verstehen. Sie gewinnt besonderes Gewicht, weil die Verbindlichkeit des biblischen Zeugnisses für alles theologische, gerade auch für das offenbarungstheologische Nachdenken von christlicher Theologie nie ernsthaft bestritten wurde (Berger/65: 5 – 54.129 – 137).

Selbstverständlich kann die Verpflichtung auf die Bibel nicht bedeuten, man müsse die aktuell bedrängenden Fragen – etwa die Frage, ob es Gott gibt – ausblenden oder sogar als falsch verwerfen. Einmal aufgebrochene Fragen lassen sich ohnehin nicht anders als durch ihre Beantwortung beruhigen. Beiseite geschoben entfalten sie erst recht ihre subversive Kraft. Vor allem aber wird sich zeigen, dass viele der heutigen Fragen aus der Geschichte des Nachdenkens über die Bibel erst erwachsen, dieser also letztlich zu verdanken sind.

Die genannte Verpflichtung kann aber auch nicht erfüllt werden, indem man die alten, fremden Texte ihrer eigenen Welt entreißt. Es gilt, sie zunächst in ihrer eigenen Gestalt zu lesen und wahrzunehmen.

In diese Wahrnehmung des Vergangenen fließen allerdings immer schon die Vorverständnisse, Fragen und Urteile der gegenwärtig Lesenden ein. Dies gilt erst recht, wenn nach der Bedeutung des Vergangenen für die Gegenwart gefragt wird. Der damit angestoßene Prozess des Verstehens ist immer von beiden Seiten bestimmt: Vom Text wie von denen, die ihn aufnehmen. Im Idealfall wird es zu gegenseitiger Kritik und Erschließung kommen: Es ist eher die Regel als die Ausnahme, dass die Leserinnen eines Textes in ihm Bedeutungen finden, die vom Autor weder beabsichtigt noch erkannt wurden. Umgekehrt vermag ein Text sich vorschnellen Bewertungen und Einordnungen zu widersetzen, indem einzelne seiner Elemente sich solcher Verwertung verweigern. Dass er außerdem den Lesenden auch ganz Neues zu sagen hat, versteht sich von selbst – und findet in der Neugier der Lesenden sein Gegenstück (Schnackenburg/81: 52f.).

Es kommt also für einen verantworteten Umgang mit fremden Texten darauf an, sich über deren Eigenstand wie über die eigenen Interessen und Fragen Rechenschaft zu geben. Wie sich solche grundsätzlichen Einsichten der Hermeneutik zu der speziellen Wechselbeziehung zwischen der Heiligen Schrift und ihrer kirchlichen wie theologischen Rezeption und Tradition verhalten, wird an viel späterer Stelle ausführlich zu bedenken sein (B.IV). Im Folgenden soll es zunächst darum gehen, den biblischen Texten Gehör zu schenken und bei der Suche nach ihren für die Offenbarungstheologie bedeutsamen Inhalten dem gerade aufgestellten hermeneutischen Anspruch so weit wie möglich gerecht zu werden. Das heißt zumindest: Mit ihnen die Frage, ob es Gott gibt, für positiv beantwortet zu halten und den Blick nicht zu verengen auf das Vorkommen von Begriffen, die mehr oder weniger präzise mit „offenbaren“ oder „Offenbarung“ übersetzt werden können.

Einführung in die Theologie der Offenbarung

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