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6. Verheißung

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Propheten

Er rettet, schenkt seine Weisung und erhält die Welt in ihrer Ordnung; er will das Heil seines Volkes, er ist mächtig und weise: So erkennt Israel seinen Gott. Doch die alltägliche Erfahrung widerspricht dieser Erkenntnis in beängstigender Regelmäßigkeit. Schon mehrfach wurde auf in der Bibel überlieferte Versuche hingewiesen, diese Spannung auszuhalten und trotz aller Not nicht von Gott zu lassen. Die Klagepsalmen, die Geschichtsschreibung, das Hiobbuch gelangen auf sehr unterschiedlichen Wegen zu diesem Ziel. Sie gewinnen gemeinsam ihre Kraft aus einer noch nicht berücksichtigten Tradition Israels: aus der Botschaft der Propheten, der die ältesten Textzeugnisse der Bibel zuzurechnen sind.

„Seid ihr für mich mehr als die Kuschiter, ihr Israeliten? – Spruch des Herrn.

Wohl habe ich Israel aus Ägypten heraufgeführt, aber ebenso die Philister aus Kaftor und die Aramäer aus Kir.

Die Augen Gottes, des Herrn, sind auf das sündige Königreich gerichtet.

Ich lasse es vom Erdboden verschwinden; doch ich werde das Haus Jakob nicht völlig vernichten – Spruch des Herrn.

[…]

An jenem Tag richte ich die zerfallene Hütte Davids wieder auf und bessere ihre Risse aus,

ich richte ihre Trümmer auf und stelle alles wieder her wie in den Tagen der Vorzeit,

damit sie den Rest von Edom unterwerfen und alle Völker,

über denen mein Name ausgerufen ist – Spruch des Herrn, der das alles bewirkt.

[…]

Dann wende ich das Geschick meines Volkes Israel.

[…]

Und ich pflanze sie ein in ihrem Land, und nie mehr werden sie ausgerissen

aus ihrem Land, das ich ihnen gegeben habe, spricht der Herr, dein Gott.“

(Am 9,7 – 15)

Die prophetischen Texte zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen unterschiedliche, ja gegensätzliche Inhalte miteinander verbunden werden. Sie verurteilen scharf das aktuelle Verhalten der Menschen in Israel und kündigen als Folge der angehäuften Schuld das Unheil, gar die Vernichtung an. Sie rufen zur Umkehr, zur Rückkehr in ein Leben nach der Weisung Gottes. Und sie verheißen Rettung.

drohende Strafe und künftige Rettung

Mit den bereits dargestellten Texttraditionen verbindet die Propheten die Überzeugung, dass erfahrenes Leid Folge menschlichen Fehlverhaltens ist. Sei es, dass dieses Verhalten seine unheilvollen Konsequenzen aus sich selbst hervorbringt, sei es, dass es von Gott bestraft wird. So ermöglichen es auch diese Texte, den Glauben an den Heilswillen und die Macht Gottes, der Israel erwählt hat, es in Zeiten des Unheils zu bewahren. Doch anders als die rückblickenden Texte der Geschichtsbücher, anders auch als die um Rettung bittenden bzw. für sie dankenden Psalmen, richtet die Botschaft der Propheten den Blick eindeutig in die Zukunft. In der Zukunft wird Gott sich als Gott erweisen, indem er das „Geschick seines Volkes wendet“, „die zerfallene Hütte Davids wieder aufrichtet“. Dabei können die Propheten die Rettung an die Bedingung der Umkehr binden (Jon 3), doch der oben stehende Text zeigt, dass dies nicht notwendig ist. Ist doch auch im Fall der Umkehr die Rettung stets Gnade. Denn Schuld kann nicht durch Umkehr, sondern nur durch die Vergebung überwunden werden (Zenger/61: 293 – 303).

„Spruch des Herrn“

In offenbarungstheologischem Interesse sind an den prophetischen Texten vor allem die beiden folgenden Aspekte von Bedeutung: Die Gerichts- und Verheißungsrede erfolgt in der Regel in der ersten Person. Entsprechende Einschübe – „Spruch des Herrn“ – machen deutlich, dass in der prophetischen Rede Gott selbst spricht. Dem Propheten kommt die Vollmacht zu, im Namen Gottes zu sprechen. Gott gibt sich also bereits im gesprochenen Wort zu erkennen – nicht etwa erst in der Erfüllung seiner Verheißung (Scholtissek/ 84: 38 – 41).

erhoffte Verheißung

Die angemessene Reaktion der Hörer ist deshalb keineswegs das Abwarten: Auch die prophetische Rede fordert die Antwort der Menschen. Ein Wort über die Zukunft wird erst zur Verheißung, wenn sich der Mensch, der es hört, zu der Hoffnung bewegen lässt, die es bewirken will – und wenn er sein Verhalten dieser Hoffnung entsprechend verändert.

An den Zusammenhang von Gericht und Rettung, den die Propheten herausstellen, knüpft in späterer Zeit die apokalyptische Literatur an, die ihre Quellen außerhalb Israels und der biblischen Tradition hat. Sie verändert die Verkündigung der Propheten allerdings in zwei wesentlichen Punkten: Alle Propheten verkünden Gericht und Rettung als Ereignisse, die innerhalb der Geschichte eintreffen werden. Dabei verzichten sie auf die Berechnung genauer Zeitpunkte. Die Schilderung des Kommenden hat in der Regel stark symbolisch-bildhaften Charakter.

Apokalyptik

Für die apokalyptische Literatur dagegen beendet das Gericht die Weltgeschichte. Diese wird gedeutet als eine Verfallsgeschichte, für die keine Aussicht auf Heil mehr besteht. Die Rettung kann nur noch jenseits dieser Welt erfolgen – und sie wird allein den verbliebenen Gerechten zuteil, während alle anderen der Vernichtung oder ewigen Qual anheim fallen. Zahlreich sind die Versuche innerhalb der apokalyptischen Tradition, den Zeitpunkt dieses unmittelbar bevorstehenden Endes zu berechnen; auch die Schilderungen des Endes und des Gerichts lassen an einprägsamer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Zu solchen Ankündigungen sehen sich die apokalyptischen Seher berechtigt, weil sie das Wissen darum unmittelbar von Gott empfangen haben. Ihnen ist bereits offenbart, was in Kürze für alle sichtbar aufgedeckt werden wird. Die Spannung, in der diese Rede von Offenbarung zu anderen, nicht nur den prophetischen Texten des Alten Testaments steht, lässt sich nicht übersehen (Müller/33; Schreiner/58: 141 – 149). Umso aufmerksamer wird zu prüfen sein, welche Rolle sie in der offenbarungstheologischen Reflexion zugewiesen bekamen.

Einführung in die Theologie der Offenbarung

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