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2. Name

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„Gott redete mit Mose und sprach zu ihm: Ich bin Jahwe. Ich bin Abraham, Isaak und Jakob als El-Schaddai (Gott, der Allmächtige) erschienen, aber unter meinem Namen habe ich mich ihnen nicht zu erkennen gegeben. Auch habe ich einen Bund mit ihnen geschlossen und habe versprochen, ihnen das Land Kanaan zu geben, das Land, in dem sie als Fremde lebten. Ferner habe ich gehört, wie die Israeliten darüber stöhnen, dass die Ägypter sie wie Sklaven behandeln. Da habe ich meines Bundes gedacht, und deshalb sag zu den Israeliten: Ich bin Jahwe. Ich führe euch aus dem Frondienst für die Ägypter heraus und rette euch aus der Sklaverei. Ich erlöse euch mit hoch erhobenem Arm und durch ein gewaltiges Strafgericht über sie. Ich nehme euch als mein Volk an und werde euer Gott sein. Und ihr sollt wissen, dass ich Jahwe bin, euer Gott, der euch aus dem Frondienst in Ägypten herausführt. Ich führe euch in das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob unter Eid versprochen habe. Ich übergebe es euch als Eigentum, ich, der Herr.“ (Ex 6,2 – 8)

Dieser Text steht in direktem Verweisungszusammenhang zu der weit bekannteren Erzählung von der Gotteserscheinung im brennenden Dornbusch (Ex 3,1 – 4,17). Gott lässt Mose – und durch ihn vermittelt das Volk Israel – seinen Namen wissen. Der Text stellt dies als Zäsur in der Geschichte Gottes mit Israel dar. Die Offenbarung des Namens begründet eine neue Qualität des Verhältnisses zwischen Gott und seinem Volk. Gott wie sein Volk gewinnen an Identität: „Ich nehme euch als mein Volk an und werde euer Gott sein.“

die Macht des Namens

Im Hintergrund dieser Erzählung steht das Wissen um die Bedeutung von Namen. Wenn Menschen einander beim Namen nennen, geht es um mehr als um die identifizierende Benennung. Der Name ist ein für die Beziehung zwischen Menschen wirkmächtiges Symbol. Aus diesem Wissen entwickelte sich unter anderem die magische Praxis des „Namenzaubers“. Die Überzeugung, dass, wer den Namen eines anderen kennt, Macht über ihn hat, findet darin ihren sinnenfälligen Ausdruck. Diese Überzeugung ist keineswegs an den Rahmen mythisch-magischer Vorstellungen gebunden: Alltägliche, jedem Kult ferne Begegnungen haben eine andere Qualität, wenn die, die miteinander sprechen, um den Namen des je anderen wissen. Den Namen nicht nur zu kennen, sondern auch zu nennen, signalisiert eine so deutliche weitere Stufe der Vertrautheit, dass dies in vielen Kommunikationssituationen ausdrücklich als unpassend gilt. Besonders intensive, intime Beziehungen finden oft ihren symbolischen Ausdruck darin, dass Menschen einander neue, nur ihnen bekannte Namen geben. Und in allen Formen interpersonaler Beziehung gilt: Den Namen anderer zu kennen bedeutet Macht. Die Nennung des Namens ruft den Verbindlichkeitscharakter der jeweiligen Beziehung wach, kann so den anderen in die Pflicht nehmen; gleichermaßen birgt das Wissen um den Namen der anderen die gefährliche Möglichkeit, sie in einer namenlos kaum möglichen Intensität zu verletzen.

Alles Gesagte gilt auch für den Gottesnamen. Mittels seines Namens wird Gott für sein Volk nicht nur identifizierbar, sondern auch in neuer Weise ansprechbar. Der mit den Vätern geschlossene Bund gewinnt eine neue Verlässlichkeit. Wie deutlich in der Tradition Israels aber auch das Wissen um die darin lauernde Möglichkeit des Missbrauchs bewusst war, zeigt sich in dem schon in vorchristlicher Zeit entstandenen jüdischen Brauch, den Namen Gottes nicht mehr auszusprechen, um der Gefahr zu entgehen, ihn zu entehren (Zimmerli/62: 21).

„Ich bin, der ich bin“

Doch nicht nur dass Gott sein Volk seinen Namen wissen lässt, hat theologische Bedeutung. Auch der Name selbst will bedacht sein. Seinen Ursprung hat der Name „Jahwe“ vermutlich in der Religion der Midianiter – nach biblischer Tradition stammt Zippora, die Frau des Mose, aus diesem Volk. Er hat sich dann wohl in der Königszeit, also im 10. oder 9. Jahrhundert, in Israel als Gottesname durchgesetzt. Die Versuche, den – wie jedes hebräische Wort – nur in seinen Konsonanten überlieferten Namen etymologisch zu entschlüsseln, sind vielfältig und umstritten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit steht er in Verbindung zum Verb „sein“. So erklärt sich die lange übliche Übersetzung: „Ich bin, der ich bin“. Sie ist in jüngerer Zeit auf Kritik gestoßen. Diese Formulierung führe, so wird eingewandt, zu Vorstellungen von einem ewigen, mit sich selbst identischen und darin unwandelbaren Sein. Ein solches Seinsverständnis aber sei eher in der griechischen Philosophie als in der Bibel beheimatet. Andere Übersetzungen bemühen sich deshalb, deutlicher erkennen zu lassen, dass „Sein“ für die Bibel eine in der Zeit sich bewegende und auf Beziehung ausgerichtete Wirklichkeit ist: „Ich werde dasein, als der ich dasein werde“ (Buber); der „Ich-bin-für-euch-da“ (Rose/56; Preuß/53: 158 – 167; Schreiner/59: 35 – 55).

Gottes Name – Gottes Handeln

Der hier auszulegende Text lässt solche philologischen Überlegungen selbstverständlich nicht erkennen. Doch er bestätigt die genannten Anliegen auf seine Weise. Er verbindet die Nennung des Namens eng mit dem zurückliegenden und angekündigten Handeln Gottes, der seinen Namen genannt hat: Gott erweist sein Gott-Sein, sein Jahwe-Sein, indem er Israel aus Ägypten befreit und ihm das Land der Väter zu eigen geben wird. Der eine zeitlang in der Theologie erbittert geführte Streit, ob nach biblischer Auffassung sich Gott durch seinen Namen oder durch sein Handeln zu erkennen gibt (Rendtorff/35; Zimmerli/62: 11 – 40), verkannte, dass es sich hier um ein gegenseitiges Bestimmungsverhältnis handelt: Wer Jahwe ist, zeigt sich durch sein Handeln – doch dass ein Geschehen sein Handeln ist, wird erst deutlich, wenn er als so Handelnder beim Namen genannt wird (Knieriem/50: 221 – 228; Fohrer/48: 46). Genau diesen Zusammenhang stellt der Text Ex 6,2 – 8 vor Augen. Der Name ist kein leeres Wort: Indem Gott ihn seinem Volk nennt, macht er sich ansprechbar als der, der an diesem Volk handelt.

Einführung in die Theologie der Offenbarung

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