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5. Schöpfung

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Grund der Welt

Gäbe es eine Welt, wenn es keinen Gott gäbe? Diese Frage hat über Jahrhunderte Philosophie und Theologie beschäftigt. Häufig wurde die Antwort so gegeben, dass sie die Gestalt eines Gottesbeweises annahm. Sein Grundgedanke ist stets der gleiche: Die Welt kann ihren Grund und ihre Ursache nicht in sich selbst haben. Da es unbestreitbar die Welt gibt, muss es also auch Gott geben, der sie geschaffen hat (s. u. S. 75). Wer so argumentierte, sah sich einig mit der Bibel, die doch schließlich auf ihren ersten Seiten von der Erschaffung der Welt durch Gott berichtet.

Doch diese Berufung auf die Bibel ist problematisch. Auf Grund der den biblischen Autoren selbstverständlichen Gottesgewissheit kommt ihnen die eingangs gestellte Frage gar nicht erst in den Sinn – und deshalb sind ihre Texte auch keine Antwort darauf. Die Schöpfung wird nicht gelesen als Offenbarung der Existenz Gottes. Gleichwohl ist der Hinweis auf die Schöpfung in der Bibel von Bedeutung. Denn auch die Schöpfung lässt in bestimmter Hinsicht erkennen, nicht ob, sondern wer Gott ist.

Zu dieser Erkenntnis führt Gott Hiob in seiner langen Erwiderung auf dessen Klage.

„Wo warst du, als ich die Erde gegründet? Sag es denn, wenn du Bescheid weißt.

Wer setzte ihre Maße? Du weißt es ja. Wer hat die Messschnur über ihr gespannt?

Wohin sind ihre Pfeiler eingesenkt? Oder wer hat ihren Eckstein gelegt,

als alle Morgensterne jauchzten, als jubelten alle Gottessöhne?

[…]

Wer verlieh dem Ibis Weisheit, oder wer gab Einsicht dem Hahn?

Wer zählt in Weisheit die Wolken, und die Schläuche des Himmels, wer schüttet sie aus,

wenn der Erdboden hart wird, als sei er gegossen, und Erdschollen zusammenkleben?

Erjagst du Beute für die Löwin, stillst du den Hunger der jungen Löwen,

wenn sie sich ducken in den Verstecken, im Dickicht auf der Lauer liegen?“

(Hi 38,4 – 7.36 – 40)

weise Ordnung

Der Text ist ein kleiner Ausschnitt aus der in ihrer Deutung bis heute umstrittenen Rede Gottes zu Hiob. Gott stellt in ihr zum einen heraus, dass er die Macht hat und sie genutzt hat, der Welt eine Ordnung zu geben und diese zu erhalten. Schon darin ist er jedem Menschen überlegen. Seine Überlegenheit aber kommt erst vollends darin zum Ausdruck, dass diese Ordnung einer dem Menschen weder erdenkbaren noch begreifbaren Weisheit folgt. Alles hat in ihr seinen genau bestimmten Ort. An ihrem jeweiligen Platz finden alle Wesen ihre Lebensmöglichkeit und sind ihrerseits Teil der umfassenden Ordnung.

Umstritten ist vor allem, ob und inwiefern diese Rede für den angesichts seines maßlosen Leidens klagenden Hiob Antwort oder gar Trost sein kann (Fohrer/48: 37f.; Preuß/52; Hübner/72: I.146f.). Scheint doch diese Rede schon allein deshalb vollkommen an der Tragik seines Lebens vorbei zu gehen, weil sie allein auf Gottes Wirken in der Schöpfung eingeht, sein geschichtliches Handeln aber nur am Rande in ironischer Brechung erwähnt wird (Hi 40,12f). Doch die Gottesrede geht, mehr als auf den ersten Blick erkennbar, auf die Situation des Hiob ein. Die merkwürdigen Tiere, die Erwähnung finden, symbolisieren in der damaligen Vorstellungswelt Chaos und Vernichtung. Auch von ihnen wird gesagt, dass sie zu der von Gott gewollten Ordnung der Welt gehören und letztlich seiner Macht unterliegen (Keel/49: 85f.). Damit gesagt zu bekommen, was er in eigener Reflexion nie hätte erreichen können, macht es Hiob möglich, seinem Geschick zuzustimmen.

die Weisheit Gottes

Was für Hiob sich als tragfähig erweist, hat auch in weniger extremen Situationen für verschiedene Autoren der Bibel seine Bedeutung: Die Ordnung der Schöpfung nimmt der Mensch staunend wahr und erkennt in ihr einen Hinweis auf die Weisheit und ordnende Macht Gottes (Schreiner/59: 160 – 163). Auf diese Aussage zielen nicht zuletzt die Schöpfungsberichte, die zwar am Anfang der Bibel stehen, aber nicht deren ältester Teil sind. Sie kennen nicht die Vorstellung, dass Gott die Welt aus dem Nichts geschaffen habe, die sich erst in späteren Jahrhunderten entwickelt. Gottes Tätigkeit ist das räumliche wie zeitliche Ordnen des vorhandenen Chaos. Erst in und aufgrund dieser Ordnung kann Leben geschaffen und erhalten werden. In dieser Akzentsetzung sind die biblischen Schöpfungsberichte eng verwandt mit anderen, etwa ägyptischen Vorstellungen. Im Gegensatz zu diesen aber stehen sie, wenn sie zwischen der Welt und dem sie ordnenden, einrichtenden Gott eine strenge Unterscheidung treffen: Nichts in dieser Welt, nicht einmal Sonne oder Mond, ist selbst Gott. Alles verdankt sich seiner Tätigkeit, ist von ihm an seinen Platz gestellt. Die von Gott geordnete Schöpfung führt den, der sie in rechter Weise betrachtet und bedenkt, selbst in die Weisheit Gottes ein – lässt ihn diese Weisheit erahnen (Zimmerli/63: 31f.; Knieriem/50: 229f.).

Die spätesten Schriften des Alten Testaments machen die Weisheit Gottes eigens zum Gegenstand ihres Nachdenkens. Manche Formulierungen lassen die Weisheit fast als eigenständige Person erscheinen, die Gott zur Seite steht: „Im Umgang mit Gott beweist sie [die Weisheit] ihren Adel, der Herr über das All gewann sie lieb. Eingeweiht in das Wissen Gottes, bestimmte sie seine Werke.“ (Weish 8,3f.)

Daran knüpfen ihrerseits spätere jüdische und christliche Traditionen an: Das Neue Testament deutet Christus in enger Verbindung zur Weisheit. Wie von der Weisheit wird von ihm gesagt, dass er schon bei der Schöpfung zugegen war und ihr die Form gab (Kol 1,16).

Die jüdische Tradition der Rabbinen verbindet die Weisheit selbstverständlich nicht mit Christus, aber mit der Thora, von der gesagt wird, dass Gott sie vor der Welt erschaffen hat, um sich bei Erschaffung der Welt von ihr leiten zu lassen. Damit wird eine wichtige Verbindung gezogen: Gott, der Israel rettet und ihm seine Weisung gibt, hat in der gleichen Weisheit bereits die Welt geordnet. Ungeachtet der vielfältigen Formen, in denen Gott sich seinem Volk zu erkennen gibt, erweist er sich als der eine, für sein Volk eindeutige Gott (Samuelson/38: 292).

Einführung in die Theologie der Offenbarung

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