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Frühe frontale Störung – dramatische Folgen

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Der wohl berühmteste Fall, aus dem sich Hinweise auf die steuernden Funktionen der frontalen Regionen ergaben, ist der von Phineas Gage. Seine Hirnverletzung lieferte die ersten medizinisch dokumentierten Belege für einen Zusammenhang zwischen Gehirn und Persönlichkeitsmerkmalen. Am 13. September 1848 erlitt ein bis dahin als tugendhaft, pflichtbewusst, vorausschauend, bescheiden und liebenswürdig geschilderter Mensch einen Unfall – und verwandelte sich in der Folge zu einer völlig anderen Persönlichkeit. Bei einem Sprengunfall wurde Gage eine Eisenstange durch das Frontalhirn gerammt; erstaunlicherweise überlebte der Mann trotz seiner schweren Verletzung. Teile seines frontalen und präfrontalen Cortex und das linke Auge wurden zerstört. Danach wurde Gage zu einem launischen, reizbaren und orientierungslosen, unberechenbaren Trunkenbold, der keine Beziehung aufrechterhalten konnte, wegen seiner Persönlichkeit immer wieder die Arbeitsstelle verlor und sozial isoliert starb.


Entscheidend ist, in welchem Alter die frontalen Strukturen beeinträchtigt werden. Werden sie schon in früher Jugend durch einen Unfall oder eine Operation zerstört, so wirkt sich das auf das Verhalten viel dramatischer aus als im Erwachsenenalter. Eine Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung von Antonio Damasio (2009) hat die Folgen von Verletzungen des orbitofrontalen Cortex in der frühen Jugend und im Erwachsenenalter verglichen. Erwachsene zeigten nach solchen Verletzungen eine erhöhte Risikobereitschaft und konnten aus Fehlern weniger gut lernen als vor den Verletzungen. Sie waren sich selbst und anderen gegenüber nachlässiger, zeigten aber kein extrem negatives Sozialverhalten. Über Risiken und auch über manchmal auftretendes unangemessenes Sozialverhalten konnten sie berichten und reflektieren. Patienten, deren orbitofrontaler Cortex schon in frühester Jugend verletzt wurde, zeigten hingegen schwer asoziales Verhalten. Sie waren »unerziehbar und unbelehrbar«, obwohl sie in einer »normalen« sozialen Umgebung aufwuchsen. Bei Regelverletzungen und Gesetzesübertretungen kannten sie keine Gewissensbisse und zeigten auch keinerlei Einsicht in ihr Fehlverhalten. Die Wissenschaftler erklären sich dieses Phänomen so, dass die Erwachsenen bereits über ein großes Repertoire von sozialen Verhaltensweisen verfügen; allerdings können sie dieses Verhalten nach einer Hirnverletzung nicht mehr so gut aktivieren wie früher. Jugendliche hingegen hatten nie die Möglichkeit, solche Erfahrungen in ihrem »sozialen Gedächtnis« abzulegen, da die entsprechenden Hirnstrukturen noch nicht entwickelt sind. Sie verfügen über keine »unbewussten moralischen Funktionen«, die sie bei sozialen Entscheidungssituationen unterstützen könnten. Diese Jugendlichen haben aufgrund der fehlenden Hirnregionen keine Möglichkeit, soziale Verhaltensmuster aufzubauen. Man kann sich gut vorstellen, dass Jugendliche, die wegen ihrer negativen sozialen Umgebung keine Gelegenheit bekommen, durch soziales Verhalten solche neuronalen Verknüpfungen zu bilden, ein ähnliches Verhalten zeigen, woraus sich die Bedeutung einer sozialen Erziehung ergibt.

Damasio berichtet von einem anderen Fall, der auf einen ähnlichen Zusammenhang hinweist. Bei einem Unfall im Alter von 15 Monaten trug ein Mädchen massive Verletzungen im präfrontalen Cortex davon. In der Folge konnte es keine Gefühle wie Nächstenliebe, Empathie oder Verantwortungsbewusstsein entwickeln, es fehlte ihm auch die Fähigkeit, Regeln des sozialen Zusammenlebens überhaupt wahrzunehmen. »Es scheint gerade so, als ob ein anatomischer Defekt zu einer Art moralischer Blindheit führt, ähnlich, wie wenn ein Augenfehler die Wahrnehmung trübt« (Schnabel 2007, S. 124).

Nur Flausen im Kopf? - Jugendliche verstehen

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