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Jugendlicher Übermut
ОглавлениеWährend der Jugend sind schwankende Stimmungen häufiger zu beobachten als in den anderen Lebensphasen. Ebenso instabil sind emotionale Zustände in dieser Zeit. Ein erhöhtes Bedürfnis nach Fun und Action runden das Bild ab. Jugendliche können sich vor allem in Gruppen schnell in euphorische Zuständ.h.neinsteigern und dabei zu »hirnlosen« oder »Rausch«-bedingten und allgemein zu risikoreichen Handlungen neigen, zu denen sie im »normalen Alltag« kaum fähig wären (vgl. Kapitel 8, Seite 115 ff.). Dabei wirken sie auf Erwachsene oft unberechenbar, weil sich diese affektiven Zustände plötzlich und scheinbar völlig grundlos zeigen. Nicht die verbalen Verletzungen oder physischen Selbst- und Fremdgefährdungen sind aber das Ziel solcher Handlungen, sondern der rauschhafte und übersteigerte Zustand selbst. Es ist dann einfach »toll«, etwas ganz Verrücktes zu tun. Die Folgen der Handlungen werden nicht mehr kognitiv kontrolliert, weil der Zustand eines übersteigerten »Größenselbst« eine rauschartige Wirkung erzielt.
Wie lässt sich das hirnphysiologisch erklären? Kleinste Veränderungen der Botenstoffe, welche die Informationen über die Synapsen (Verbindungsstellen zwischen den Nervenzellen) weiterleiten, können genügen, um die Impuls- und Gefühlskontrolle aus dem Gleichgewicht zu bringen. Oft spielt dabei das Testosteron (männliches Geschlechtshormon) eine Rolle; es ist aber keinesfalls allein ausschlaggebend bei aggressivem oder rauschartigem Verhalten oder allgemein bei Kontrollverlusten. Dennoch sind junge Männer, statistisch gesehen, risikofreudiger und allgemein aggressiver als der Durchschnitt der Bevölkerung, da sie über einen besonders hohen Testosteronspiegel verfügen.
Mindestens ebenso bedeutsam im Zusammenhang mit risikoreichem Verhalten ist der Hirnbotenstoff Serotonin. Von den Raphe-Kernen ausgehend (vgl. Abbildung 13), versorgt er weite Teile des Großhirns, wo er die Reizweiterleitung an den Synapsen beeinflusst. Dabei kann es passieren, dass spontane emotionale Reaktionen des limbischen Systems nur noch unzureichend vom präfrontalen Cortex gehemmt werden, weil die Impulse aus dem limbischen System sehr stark sind und die lenkenden Strukturen des frontalen Cortex überfordern. Insbesondere der orbitofrontale Abschnitt des Cortex erfüllt wichtige Funktionen bei der Impulskontrolle. Während bei niederen Säugetieren die Neigung zu Aggressivität verstärkt ist, scheint das bei Primaten und Menschen nicht zwangsläufig der Fall zu sein. Lediglich nach sportlichem oder sozialem Erfolg steigt der Testosteronspiegel im Blut deutlich an – und zwar bei beiden Geschlechtern, wenn auch der Hormonspiegel bei Männern durchweg höher ist. Möglicherweise fördert die Erinnerung an das mit dem Sieg verbundene Erregungsgefühl dann das risikoreiche Verhalten: Man möchte den Rauschzustand noch einmal erleben (Hülshoff 2006, S. 34). Die unmittelbare Belohnung, die sich aus einer risikoreichen Fahrt durch den Tiefschnee ergibt, lockt also so stark, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung durch den präfrontalen Cortex gar nicht mehr ausgeführt wird. Und die Erinnerung an die Rauschgefühle und die Größenselbst-Erfahrungen scheinen jugendliche Raser oder auch Hooligans fast magisch zu ihrem Risikoverhalten zu treiben. Die Frage, inwieweit Einsicht bei Jugendlichen, die sich sehr risikoreich verhalten, überhaupt möglich ist, bleibt somit offen. Selbst wenn die Konsequenzen riskanten Verhaltens aus zeitlicher Distanz eingesehen werden, kann nichts und niemand garantieren, dass in einer zukünftigen Situation diese Einsicht weiterwirkt und risikoreiches Verhalten vermieden wird.