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Regression der therapeutischen Beziehung: Übertragung, Gegenübertragung und Kollusion25

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Die therapeutische Beziehung hat neben der sozialen eine innerseelische, psychodynamische Dimension. Sie beruht darauf, dass das Selbsterleben der Betroffenen in der Situation als Patienten bzw. Kranke mit äußeren und inneren Konflikten verbunden ist, mit Ängsten, Phantasien, Reaktivierungen traumatischer Erlebnisse und mit dem Zustand physischer und psychischer Schutzlosigkeit. Dadurch werden Abhängigkeitsbedürfnisse lebendig, die dem Abhängigkeitserleben der frühen Entwicklungsjahre der Kindheit ähneln. Diese »Rückkehr« in entwicklungsmäßig überholte Erlebnis- und Verhaltensweisen wird als Regression bezeichnet.

Im Zustand der Regression erlebt der Kranke sich wie ein Kind. Entsprechend schreibt er den Ärzten, Helfern und dem Pflegepersonal elterliche Funktionen zu, er projiziert bzw. überträgt auf sie die Elternrolle. Sie ist durch Schutz, Fürsorge, Macht, Vorsicht, Misstrauen u. v. a. geprägt. Diese Übertragung hängt davon ab, welche Erfahrungen ein Kranker mit wichtigen Beziehungspersonen in der Kindheit gemacht hat, als er von ihnen real abhängig war.

Übertragungen lassen sich meist daran erkennen, dass Reaktionen einer Situation nicht angemessen sind und von einem starken emotionalen Druck begleitet werden. Sie sind durch rationale Erklärungen, »Richtigstellungen« und kognitive Einsicht wenig zu beeinflussen und durch reale Erfahrungen nur schwer zu korrigieren. Es handelt sich vielmehr um ein Erleben, das durch innere, unbewusste Erfahrungen beeinflusst und motiviert ist. Viele Hoffnungen, Erwartungen, Enttäuschungen, Ängste und Befürchtungen von Kranken enthalten einen solchen irrationalen Übertragungsanteil. Sie können Ursache von Kommunikationsstörungen werden, vor allem dann, wenn sie nicht als Übertragungen erkannt werden.

Unter dem Einfluss von Übertragungseinstellungen verhalten sich Ärzte, Psychologen, Pflegepersonal und natürlich auch Psychotherapeuten, die mit den Patienten zu tun haben, oft genau so, wie es der Übertragung entspricht. Sie verhalten sich »allmächtig«, wenn die Patienten sie idealisieren, oder reagieren verärgert, wenn diese unbewusst eine aggressive Behandlung erwarten (und diese auch provozieren). Die Übertragung wird dann durch eine passende Gegenübertragung beantwortet. In der Haltung des Behandlers vermischen sich solche Gegenübertragungsgefühle mit eigenen Übertragungsdispositionen, die ein Patient im Gegenüber auslöst. Diese Mischung macht es oft schwer, genügende Distanz zu seinen Reaktionen zu bewahren und sorgsam und reflektiert damit umzugehen. Bei der Klärung helfen Fragen wie: Was macht der Patient mit mir? Wie fühle ich mich ihm gegenüber?

Oft kommt es zu einem einer Kollusion26 (colludere [lat.] bedeutet zusammenspielen). Darunter versteht man ein unbemerktes Zusammenspiel zwischen Behandler und Patient ( Übersicht). Ihr liegen gemeinsame, verdrängte Ängste, Wünsche und Phantasien zugrunde, die durch die Kollusion auch gemeinsam unbewusst gehalten, d. h. abgewehrt werden. Die Vorgaben der Kranken- und Helferrolle leisten der Kollusion im medizinischen Versorgungssystem Vorschub. Sie versetzen den Patienten in die eher passiv-hilfsbedürftige und den Behandler in die aktivsteuernde Position.

Psychotherapie und Psychosomatik

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