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Das psychoanalytische Strukturmodell40

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Freuds klassisches Strukturmodell der Psychoanalyse unterscheidet zwischen Ich, Es und Überich.

• Das Ich ist die beobachtende, vermittelnde und integrierende, das innere Gleichgewicht und die Funktionsfähigkeit wahrende Steuerungsinstanz. Ihre Inhalte und Funktionen sind teils bewusst, teils unbewusst. Sie vermittelt zwischen dem Lustprinzip des Es und den Werten und Normen des Überichs und, aus anderer Perspektive, zwischen der inneren und der äußeren Realität bzw. zwischen dem Selbst und seinen Objekten. Das Ich wird vom Realitätsprinzip und vom Bedürfnis nach Integration, Kontinuität und Sicherheit geleitet. Für diese Aufgaben werden eine Vielzahl von Ichfunktionen aufgebaut, darunter die Abwehrmechanismen.

• Der Mensch bildet sich Vorstellungen über sich selbst und seine Beziehungen zu Menschen und Dingen der Welt. Diese Vorstellungen bilden einen Komplex im Ich, der als Selbst41 bezeichnet wird. Die Fähigkeit, zwischen dem Selbst und den Erwartungen und Rollenzuweisungen der Umgebung eine Balance zu halten, ist der Kern der Identität42.

• Das Es repräsentiert die Triebe und Bedürfnisse. Es wird durch das Lustprinzip motiviert und strebt nach Triebbefriedigung. Man kann es als die Instanz der von innen kommenden, biologisch-genetisch fundierten Motivationen betrachten.

• Das Überich verkörpert die verinnerlichten Normen und Verbote, die Vorbilder, Ideale und Gebote. Man kann die Verbotsseite als Überich im engeren Sinne von der Gebotsseite abgrenzen und diese als Ichideal bezeichnen. Das Überich enthält als Gegenpol zum Es die sozialen Motivationen, die durch Identifikationen mit den Bezugspersonen, mit sozialen Werten und kulturellen Normen erworben werden.

Nach diesem Modell werden Konflikte, z. B. zwischen dem Es und dem Überich, durch das Ich geschlichtet und zwar z. B. durch Verdrängung des unverträglichen Triebwunsches (Triebabwehr), des gesamten Konfliktes (Konfliktabwehr) oder der konfliktbedingten Angst (Angstabwehr). In gleicher Weise können auch Konflikte zwischen dem Ich und dem Es bzw. zwischen dem Ich und dem Überich durch Verdrängung ins Unbewusste gelangen.

Im Prinzip ist das Freudsche Modell für das Verständnis der Konfliktstörungen, d. h. der »klassischen Neurosen« noch immer gültig. In der Systematik dieses Buches findet es für das Verständnis der Konfliktpathologie auf höherem Strukturniveau Anwendung. Dabei stehen heute allerdings weniger die Triebkonflikte im Fokus. Beziehungskonflikte sind an ihre Stelle getreten.

Abb. 2.1: Das Strukturmodell der Psychoanalyse

Neuere Auffassungen betonen mehr den Aspekt der zwischenmenschlichen Erfahrung als die Dynamik zwischen intrapsychischen Instanzen. Danach werden zwischenmenschliche Interessenkonflikte als konflikthafte Repräsentanzen ( Kap. 2.2.1) verinnerlicht und verdrängt. Sie behalten aber ihren Einfluss auf das Erleben und Verhalten.

Man kann sich die innere Repräsentanzenwelt als eine Bühne vorstellen, auf der die Themen der unbewussten Konflikte als unbewusste Phantasien mit Hilfe »innerer Objekte« und des Selbst dargestellt werden. So wie der Zuschauer durch eine Inszenierung im Theater in seinem Fühlen und Denken bis hin zu seinem Verhalten (Applaus, Hinausgehen usw.) beeinflusst wird, so wird das bewusst handelnde und fühlende Ich durch die Konfliktinszenierungen in seinem Innern beeinflusst.

Psychotherapie und Psychosomatik

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