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Risiko- und protektive Faktoren für die Entstehung psychogener Störungen58

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• Belastend wirken

– Zugehörigkeit zur unteren sozialen Schicht, schlechte sozioökonomische Verhältnisse, große Familien mit unzureichenden personellen und materiellen Ressourcen, Bedrohung der materiellen Sicherheit und materielle Not, räumliche Enge

– Familiäre Probleme: Chronische Disharmonie, brüchige Beziehungsgestaltung, häufige oder langdauernde Trennungen, familiäre Gewalt und Missbrauch, Krankheit und psychische Störungen in der Familie (Depressionen, Alkoholismus), Verwahrlosung und Kriminalität

– Ungünstige Lebenskonstellationen: Alleinerziehende Mutter, uneheliche Geburt, geringer Altersabstand zum nachgeborenen Geschwister

– Belastende und traumatische Lebensereignisse: Mutterverlust, wechselnde Beziehungen, Missbrauch und Misshandlung

• Schützend wirken

– Persönlichkeit: Robuste Konstitution (Temperament), gute Intelligenz und Begabungen, sichere Bindung

– Familiärer Zusammenhalt und Zugewandtheit, stabile und intakte Großfamilien als Ersatzmilieu nach Mutterverlust

– Vertrauenspersonen: Kompensatorische, dauerhafte gute Beziehung zu verständnisvoller Vertrauensperson, insbesondere nach Belastungen

– Soziale Integration der Familie, soziale Förderung, z. B. in der Schule

In der frühen Kindheit werden die Grundlagen für die spätere Lebensbewältigung gelegt. Die Verknüpfung von Kindheitsbelastung und späterer Störung ist nicht nur nach umfangreicher klinischer Erfahrung evident, es gibt dafür inzwischen auch eine beträchtliche Zahl von empirischen Belegen.

Entscheidend für das Krankheitsrisiko sind neben den frühkindlichen Belastungen auf der Risikoseite spätere kompensatorische Einflüsse, die selbst erhebliche Frühbelastungen ausgleichen können und vor Erkrankungen schützen.59 Kompensatorisch wirken eine annehmende Grundeinstellung gegenüber dem Kind, Empathie und Spiegelung, Anerkennung und Bestätigung, konstante und ausgeglichene Primärbeziehungen und sichere Bindungen sowie ein sicherheitgebendes familiäres Umfeld. Fördernd ist eine haltgebende Erziehung mit angemessenen Belastungen und Entwicklungsanreizen.

Frühe Reifungs- und Entwicklungsschäden sind also in einem bestimmten Ausmaß reversibel, wenn ihnen durch fördernde Beziehungen begegnet wird. Die Plastizität der Persönlichkeit bleibt jedenfalls über weite Strecken des Lebens erhalten. Sie ist nicht auf die frühe Kindheit begrenzt. Man kann als Grundorientierung sagen, dass frühe Belastungen sich fixieren und definitiv pathogen wirken, wenn sie durch die spätere Entwicklung bestätigt und verstärkt werden. Spätere protektive und supportive Erfahrungen können hingegen korrigierend wirken.

Psychotherapie und Psychosomatik

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