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Die Entwicklung der Mentalisierung im Kindesalter75

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• Teleologischer Modus

Am Ende des ersten Lebensjahres beginnen Kinder, sich als Urheber von Aktionen zu erleben und rationale Reaktionen darauf zu erwarten. Das ist das Ergebnis der gelungenen Affektspiegelung in den frühen Interaktionen. Sie haben aber noch keine Vorstellung von Wünschen und Motiven der anderen.

• Dualer Modus

Mit etwa anderthalb Jahren beginnen Kinder, ihre Innenwelt im Spiel auszudrücken. Dabei setzen sie innere Erfahrungen auf zwei Weisen mit der äußeren Situation in Beziehung:

– Im Äquivalenzmodus setzen sie innere Welt und äußere Realität gleich. Es gibt noch kein Bewusstsein für den Unterschied zwischen Vorstellung und äußerer Wirklichkeit. Die Vorstellungswelt erscheint daher konkretistisch: Der gemalte Tiger ist real gefährlich, man muss sich tatsächlich vor ihm schützen.

– Im Als-ob-Modus weiß das Kind im Spiel, dass seine Phantasien nicht »real« sind. Es weiß, dass der Tiger nicht »wirklich« gefährlich ist, und muss sich nicht schützen. Innen und außen werden voneinander dissoziiert.

• Reflexionsmodus

Im vierten bis fünften Lebensjahr werden die beiden Modi integriert. Dabei spielt die vermittelnde Reaktion anderer Personen beim Mitspielen oder in Kommentaren eine fördernde Rolle. Damit erreichen die Kinder die Stufe der Mentalisierung. Jetzt werden innere und äußere Realität als miteinander verbunden erlebt und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Perspektiven anerkannt.

Die Mentalisierungsfähigkeit wird in der ungestörten Entwicklung im vierten bis fünften Lebensjahr erreicht. Das Kind tritt dann in den Reflexionsmodus, in dem Zusammenhänge und Unterschiede zwischen innerer und äußerer Realität, zwischen dem Selbst und den anderen wahrgenommen und anerkannt werden. Es entwickelt ein komplexes Arbeitsmodell für die Bewältigung psychosozialer Situationen.

Diesem Modus gehen zwei duale Modi des Erlebens voraus: ein konkretistischer Äquivalenzmodus und ein dissoziativer Als-ob-Modus. ( Übersicht). Sie bestehen nebeneinander. Um den Reflexionsmodus zu erreichen, ist die Integration dieser beiden Erlebnisformen erforderlich. Störungen bewirken hingegen eine Einschränkung der Mentalisierungsfähigkeit und bilden die Grundlage für die Borderline-Pathologie.

Psychotherapie und Psychosomatik

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