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Entwicklung der Beziehungen

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In neuerer Zeit werden die drei Entwicklungsstränge unter dem Aspekt der Objektbeziehungen80 integrativ betrachtet: Sie betreffen

• das Subjekt: Vorstellungen von sich, dem Selbst,

• die Objekte: Menschen, mit denen es Erfahrungen macht,

• die Beziehungsrepräsentanzen: das Erleben, welches das Subjekt unter dem Einfluss seiner Affekte und seiner Triebbedürfnisse in seinen prägenden Beziehungen erfährt.

Selbst und Objekte werden im seelischen Innenraum durch Affekte als angeborene und erfahrungsbedingte Gefühle miteinander verbunden. Anfangs handelt es sich um diffuse psycho-physische Gefühlszustände aus dem prozeduralen Erlebnismodus. Erst mit der Trennung zwischen Selbst und Nicht-Selbst und mit dem begrifflichen Denken und der Mentalisierung entstehen komplexe Vorstellungen. In ihnen schlagen sich Beziehungsepisoden nieder, die Selbst-, Objekt- und Beziehungsrepräsentanzen.81 Diese Vorgänge sind unbewusst und bilden aus dem Unbewussten heraus die stärksten Motivationen für das Erleben und Handeln.

Die Struktur der Objektbeziehungen und der Vorstellungen, die im Inneren gebildet werden, nimmt eine Entwicklung ( Abb. 2.2):

• Ganz am Anfang des Lebens ist die Bezogenheit wie eine Monade strukturiert. In dieser intentionalen Entwicklung sind Beziehungen zu anderen unbewusst. Das Selbst wird nur rudimentär erlebt. Erst nach und nach entwickelt sich mit dem auftauchenden Selbst auch eine sehr diffuse Wahrnehmung für das Auftauchen des Objektes. Dann spricht man von einer (frühen) Symbiose.

• Im ersten Lebensjahr wird die Bezogenheit von Erregungen bestimmt, die an bestimmte Funktionen geknüpft sind, welche die Pflegepersonen für den Säugling haben; jede Funktion entspricht einem Aspekt des Anderen, der aber von der Person losgelöst erlebt wird. Dabei werden die verschiedenen Aspekte noch nicht als Ganzes gesehen. Dieses Stadium wird als Stadium der Teilobjektbeziehungen (Beziehung zu Teilobjekten) beschrieben. In dieser Entwicklungsphase gibt es ein Kern-Selbst. Es steht in enger Bezogenheit zum Objekt. Diese enge Bezogenheit wird als Symbiose bezeichnet. Sie wird als selbstverständlich wahrgenommen. Die Grenzen zwischen dem Selbst und den anderen werden noch nicht reflektiert.

• Im zweiten Lebensjahr wird das symbiotische Erleben aufgegeben. Es macht einem dyadischen Ich-Du-Erleben Platz, in dem die Abgegrenztheit und Eigenständigkeit des Anderen mehr und mehr anerkannt wird. Damit entsteht auch das subjektive Selbst, das in einer Dyade mit dem Objekt verbunden ist. In der Folge werden die Teilobjektbeziehungen integriert, d. h. es entstehen realistische ganzheitliche Objektrepräsentanzen.

• Ab etwa 18 Monaten erlangen Objektrepräsentanzen eine ausreichende Stabilität, sodass sie über zunehmend lange Zeit in der Erinnerung lebendig bleiben, wenn die Bezugspersonen nicht real anwesend sind. Damit wird Objektkonstanz erreicht.

• Mit dem Spracherwerb entsteht das verbale Selbst. Nun werden die Repräsentanzen begrifflich erfasst (»symbolisiert«) und im explizit-deklarativen Gedächtnis gespeichert. Sie können nun auch erinnert werden.

• Im dritten Lebensjahr wird das dyadische Erleben erweitert. Zunächst werden mehrere Dyaden, z. B. Selbst – Mutter, Selbst – Vater, getrennt voneinander wichtig und als Alternativen zueinander erlebt. Es entstehen Triaden.

• Im vierten Lebensjahr wird diese triadische Beziehungsform zum Dreieck ausdifferenziert. Nun wird anerkannt, dass auch andere Menschen Beziehungen zueinander haben. Es entsteht die Vorstellung »Ich in der Beziehung zu Mutter und Vater, die miteinander in Beziehung stehen«. Das ist die Urform des sozialen Erlebens, die auch mit dem Prozess der Mentalisierung verknüpft ist.

• Mit dem Schulalter entstehen Beziehungsnetze, in denen sich der Mensch als Teil eines sozialen Gefüges erlebt und beginnt, über eine wachsende soziale Kompetenz zu verfügen.

Psychotherapie und Psychosomatik

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