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Die Triangulierung

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Die (sog. »frühe«) Triangulierung99 entwickelt sich im dritten Lebensjahr aus der Autonomieentwicklung. Jetzt erlebt das Kind, dass man sich verschiedenen Zweierbeziehungen zur gleichen Zeit zuwenden kann. Es handelt sich zunächst um eine triadische Beziehungsstruktur. Maßgeblich dafür ist die Abwendung von der Mutter und der Zuwendung zum Vater, der jetzt als Dritter attraktiver erscheint als die Mutter und eine immer stärkere Bedeutung erhält. Die präödipale Vatersehnsucht100 wird aber aus Angst, die Mutter mit der Abwendung zu verletzen, nicht realisiert. Daraus entsteht ein Loyalitätskonflikt. Er bewirkt heftige Ressentiments gegenüber der Mutter, die verdrängt werden, und einen verleugneten Hass gegenüber der festhaltenden Beziehung zu ihr. In dieser Konstellation entsteht, verbunden mit Angst vor Liebesverlust, die Neigung, Bedürfnisse nach Selbstständigkeit mit Schuldgefühlen zu beantworten.

Wenn das Kind erlebt, dass die Beziehung zwischen den Eltern durch die Hinwendung zu einem Elternteil nicht zerstört und der verlassene Elternteil durch die Liebe zwischen den Eltern geschützt wird, dann kann es trianguläre Beziehungen zulassen. Das bedeutet einen Entwicklungsfortschritt, denn die Beziehung zwischen den Eltern kann dann anerkannt werden und das Kind selbst kann beginnen, eigene Wege zu gehen und seine eigene Identität zu verwirklichen. Insofern ist die Triangulierung mit dem Grundkonflikt der Identität verknüpft.

Mit der Triangulierung entwickelt die Beziehungsstruktur sich von der Triade zur Triangularität. Das Kind erwirbt nun die Fähigkeit, mit Alternativen zu leben, und entwickelt die Vorstellung, eine Beziehung durch eine andere ersetzen zu können. Zunehmend erlebt es sich nun auch in die trianguläre Beziehung zwischen den Eltern einbezogen. Damit wird die Beziehung zur Mutter gelockert und die Dyade aufgelöst. Diese Entwicklung zu fördern, ist die wichtige Funktion des Vaters für die Entwicklung der Kinder in diesem Entwicklungsabschnitt. Er wird zum Katalysator im Prozess der Triangulierung und der Festigung der Autonomie. Damit wird die Grundlage für das Leben im Dreieck als Urform der sozialen Beziehungen geschaffen.

Das Scheitern der Triangulierung führt zur Fixierung von Trennungsängsten und Loyalitätskonflikten. Damit stehen auch die späteren Beziehungen des Erwachsenenlebens unter dem Vorzeichen einer unerfüllten Sehnsucht nach alternativen Beziehungen. Sie rühren meistens auch an das Selbstgefühl. Das ist die Disposition für die Entstehung von präödipalen Störungen auf mittlerem und höherem Strukturniveau ( Kap. 4.4), insbesondere zu präödipalen narzisstischen, depressiven und somatoformen Störungen.

Psychotherapie und Psychosomatik

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