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Entwicklung des Selbst und der Identität76

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Das Selbst umfasst das Wissen, wer man ist. Es enthält das Empfinden, ein kohärentes (einheitliches, integriertes), denkendes und handelndes Wesen zu sein. Aus der Perspektive des Selbst nimmt man sich als Person mit einer bestimmten Persönlichkeit wahr. Das Selbst enthält Vorstellungen, die auf Repräsentanzen von Erfahrungen beruhen. Damit unterscheidet es sich vom psychoanalytischen Konzept des Ichs als Träger von Funktionen.

Heinz Hartmann77 beschrieb das Selbst als übergreifendes psychisches System, vergleichbar dem Es und dem Überich. Es entsteht aus dem Ich und beruht im Wesentlichen auf Identifikationen, d. h. auf Erfahrungen. Lange Zeit wurde es relativ statisch als psychische Struktur betrachtet.

Heute wird dem Selbst eine eigenständige Entwicklung zugeschrieben. Selbst- und Selbstwertgefühl sind danach Produkte intersubjektiver Prozesse. Sie sind das Ergebnis von Spiegelungsprozessen in den frühen Interaktionen. Danach ist das Selbst kontextabhängig und eine Neuschöpfung in der jeweils aktuellen Beziehung.

Schon bald nach der Geburt gibt es einen präverbalen Keim des Selbstempfindens, der die Grundlage für die weitere Entwicklung darstellt. Daraus entwickelt sich in den ersten beiden Lebensjahren durch prozedurale Erfahrungen mit anderen wie Gehaltenwerden, Gelesenwerden, Versorgtwerden eine differenzierte Vorstellung von der eigenen Person. Heute versteht man das Selbst als einen interaktiven Komplex, der sich in lebenslanger Entwicklung befindet. Das Selbstgefühl ergibt sich daraus, wie man mit anderen in Kontakt kommt, was man in ihnen bewirkt, welche Reaktionen man erfährt und welche Erfahrungen man mit sich selbst macht, z. B. wenn man Aufgaben bewältigt.

Nach den Befunden der Säuglingsforschung unterscheidet man mehrere Stufen des Selbstempfindens ( Übersicht), die mit Stufen der Bezogenheit korrespondieren. Sie entwickeln sich nacheinander, bauen auf der jeweils vorangehenden Stude auf und bleiben lebenslang nebeneinander bestehen. Allerdings treten die jeweils vorangehenden in den Hintergrund der subjektiven Aufmerksamkeit.

Wirklich neu an dieser intersubjektiven Sicht ist, wie sich das Selbsterleben auf allen Stufen der Entwicklung am Anderen konstituiert: Danach bestimmen die wichtigen »ersten Anderen« mit ihren Erwartungen, Hoffnungen, Enttäuschungen usw., aber auch der gesamte psychosoziale Kontext darüber, mit welchen Erwartungen ein Mensch empfangen und gesehen und in diese Welt aufgenommen wird. Diese Erfahrung vermittelt sich prozedural, d. h. über Mimik, Gestik, Reaktionsbereitschaft und vieles andere. Das schafft ein Selbstempfinden, das zunächst präverbal erfahren wird und als Körpererinnerung in das implizit-prozedurale Gedächtnis eingeht. Das Selbst ist also am Anfang ein körperliches und wird erst mit der Sprachentwicklung »gedacht«. Dennoch wirken auch die präverbalen ungedachten Botschaften auf den Anderen zurück: Als Stimmungen, Zuwendung oder Abwendung und andere Gesten, als Gefühl des Wohlbehagens oder als Anspannung und Angst. Diese Interaktionen verdichten sich zu Beziehungskonstellationen, an denen jeder der Akteure teilhat. Diese Prozesse werden als intersubjektive Ko-Konstruktion des Selbst bezeichnet.

Psychotherapie und Psychosomatik

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