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»Ich glaube sowieso, wenn die jungen Menschen

auf alles hören würden, was die Älteren ihnen sagen,

würde jede Entwicklung aufhören und die Welt stillstehen.«

(Astrid Lindgren)

Zwang ist überall. Zwang ist daher Bestandteil Sozialer Arbeit. Im Alltag verdrängen wir das häufig. Zwang verträgt sich nicht mit unserem professionellen Selbstverständnis. Zwang und Zwangsmittel werden oft genug als unliebsame Nebenwirkungen ausgeblendet, schließlich soll Soziale Arbeit zum selbstständigen und selbstbestimmten Handeln anleiten, will ermöglichen und ermächtigen. Diese berufliche Grundhaltung ist der erste Anlass und Ausgangspunkt dieses Bandes. Der zweite Anlass besteht in der zunehmenden Legitimierung von Zwang und Zwangsmitteln, die im Widerspruch zu dieser Grundhaltung vermehrt als notwendige und unabdingbare Bestandteile von Sozialer Arbeit und Erziehung in der Praxis und im Fachdiskurs legitimiert werden: Festhalten, Einschließen, Sanktionieren oder das systematische Gewähren und Entziehen von vermeintlichen Privilegien.

Diese Spannung zwischen beruflicher Grundhaltung und zunehmender Legitimation verlangt einen kritischen, selbstvergewissernden Blick auf diesen Begriff. Soziale Arbeit und Zwang sind miteinander verquickt – was bedeutet das in der Praxis? Und welche Folgen hat diese Verquickung für das berufliche Selbstverständnis, die oft zitierte Haltung, kurz: Wie kann im beruflichen Alltag mit dem vorhandenen Zwang und mit Zwangsmitteln professionell und reflexiv umgegangen werden?

In der Erörterung dieses Spannungsverhältnisses konzentrieren wir uns auf die Praxen des Zwangs. Damit sind die Zwangsmittel und -maßnahmen gemeint, die von Sozialarbeiter*innen konzeptionell und geplant oder auch spontan eingesetzt werden. Dafür befragen wir zunächst den Begriff und seine Verwandten Macht, Erziehung und Strafe, um dann die Positionen von Klassiker*innen zu besprechen. In diesem ersten Teil geht es um unterschiedliche Blicke auf die Facetten des Begriffs.

Die Diskurse, die Handlungen und die Haltungen um den Zwang sind nicht in das Belieben der Fachleute gestellt. Sie sind stets Ausdruck sozialpolitischer Ordnungsvorstellungen, mit denen sich die Fachkräfte und Organisationen auseinandersetzen müssen. Daher ordnen wir anschließend die aktuellen Kontroversen um die Legitimität von Zwang in diese Ordnungsvorstellungen ein. Vor diesem Hintergrund beleuchten wir abschließend alternative Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Adressat*innen. Dazu besprechen wir die zugehörigen Menschenbilder, Erziehungsverständnisse und organisatorischen Kontexte.

Dies tun wir auf Basis unserer eigenen Haltung und fachlichen Überzeugung, dass es in der Sozialen Arbeit um Emanzipation, Aneignung und Teilhabe gehen sollte. Zwang und Zwangsmittel bieten dafür keine Hilfe oder Unterstützung.

Wir wollen mit diesem Band zum Nachdenken über den Zwang in der Sozialen Arbeit einladen: Über den Begriff und Formen des Zwangs, vor allem über Hürden und Konflikte im beruflichen Alltag, aber auch über Handlungsmöglichkeiten im Berufsalltag sowie auf der konzeptionellen und institutionellen Ebene. Denn oft halten wir Sozialarbeiter*innen uns für machtloser und begrenzter als wir es sind. Überall ist Zwang. Doch ausgeliefert sind wir ihm nicht.

Michael Lindenberg und Tilman Lutz

Zwang in der Sozialen Arbeit

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