Читать книгу Das Blut des Wolfes - Michael Schenk - Страница 10
Kapitel 8
ОглавлениеSvenja ahnte, dass die eingestellte Suche für die Dorfbewohner und vor allem ihren Vater eher unbefriedigend war. Die Wolfgartener hatten sicher auf aufregende Neuigkeiten gehofft und Jochen wiederum darauf, selbst die Ermittlungen führen zu können. Das Verschwinden des Paares war ein Rätsel und würde es vielleicht auch bleiben. Jedenfalls hatte der Einsatzleiter der Polizei einen eher ratlosen Eindruck auf Svenja gemacht.
Heute würde sich jedenfalls nichts mehr ereignen und die Menge begann sich zu zerstreuen. Der Tieflader mit dem Wagen der Proschkes fuhr vom Parkplatz und die Polizisten bestiegen ihre Fahrzeuge, um Wolfgarten zu verlassen. Nur Jochen und sein Kollege Peter blieben zurück und vergewisserten sich, dass alles in geordneten Bahnen verlief.
Svenja bemerkte Vanessa Schneider, die in ihrer Funktion als Ortsvorsteherin gekommen war, um den Ablauf der Suchaktion zu verfolgen. Die Schwarzhaarige machte in ihrem Sommerkleid eine gute Figur, wie Svenja widerstrebend anerkannte. Sie selbst bevorzugte eher Jeans, Schlabberpullis und Sneakers und trug nur dann ein Kostüm, wenn ihre Chefin sie zu einem Gespräch mit einem Kunden mitnahm.
Svenja registrierte die begehrlichen Blicke, mit denen ihr Vater die Frau bedachte. Nun ja, es war seine Sache und ging sie eigentlich nichts an. Wenigstens nicht, solange die Schneider nicht bei ihnen zu Hause einzog. Das würde wohl kaum der Fall sein. Die Schneider spielte einfach in einer anderen Klasse als Jochen. Sie mochte ihren Spaß mit ihm haben, doch Svenja konnte sich nicht vorstellen, dass sich eine solche Frau mit einem einfachen Dorfpolizisten begnügte.
Vanessa Schneider winkte ihr freundlich zu, als sie in ihren Wagen stieg und Svenja erwiderte den Gruß halbherzig.
Jochen kam mit seinem Kollegen zu ihr. Die Enttäuschung über den Verlauf der Suchaktion stand beiden ins Gesicht geschrieben und Jochens Stimme klang bitter. „Die KriPo in Schleiden übernimmt. Wahrscheinlich wird man es in einigen Tagen noch mal mit Suchhunden der Polizei versuchen, aber nachdem weder wir, noch die Feuerwehr oder die Hundestaffel etwas gebracht haben, sieht es düster aus.“ Er seufzte schwer. „Die Presse wird sicher bald Wind von der Sache bekommen und wir sollen alle Anfragen nach Schleiden leiten.“ Peter Wagner machte ganz den Eindruck, als sei ihm das nur Recht, aber Svenja konnte die Frustration ihres Vaters gut verstehen. „Wir räumen jetzt hier auf und erledigen dann den Papierkram auf der Wache“, fügte Jochen hinzu.
„Ich werde noch ein wenig mit John reden und dann nach Hause fahren.“ Svenja hatte eigentlich keine Lust, nach Hause zu fahren, aber ihre Freundin Kim konnte sie nicht besuchen, denn die war mit ihren Eltern nach Köln gefahren. Natürlich hätte sie noch ein wenig an ihrem Computer arbeiten können. Die Firma hatte einen großen Auftrag von einer Lebensmittelkette erhalten und Svenja sollte Entwürfe für die verschiedenen Flyer ausarbeiten. Doch die Aussicht, bei dem schönen Wetter unter der Dachschräge zu schwitzen, gefiel ihr nicht sonderlich.
Jochen und Peter Wagner begannen das Absperrband aufzurollen und Svenja schlenderte auf das Gebäude zu, um mit John Turner zu reden.
Der Ranger lehnte am Eingang und unterhielt sich mit der Kassiererin Frau Honnig. Er nickte Svenja zu und grinste breit. „Langeweile?“
„Kann man so sagen“, räumte sie ein. „Der Rummel hier scheint ja wohl rum zu sein.“
„Wenn du willst, kannst du mit mir kommen. Oben, am großen Böttenbach, wo er aus dem abgesperrten Bereich herüber fließt, soll sich Knüppelholz am Zaun angesammelt haben und das Wasser staut sich. Ich will nachsehen, ob wir das räumen müssen. Nicht, dass der Wanderweg unter Wasser gesetzt wird.“
„Klar. Besser, als hier rumzuhängen.“
„Wir nehmen meinen Geländewagen. Das geht schneller. Außerdem habe ich da das Werkzeug drin.“
Sie stiegen in das lindgrüne Fahrzeug und John steuerte ihn auf den Weg, den Tage zuvor die Proschkes genommen hatten. „Dein Vater ist wohl ziemlich frustriert, wie?“
„Wie kommst du darauf?“
Turner grinste. „Sah man seinem Gesicht an.“
„Na ja, er findet das sicher echt Scheiße“, bekannte Svenja. „Endlich mal was los und dann kommt die Kripo und zieht die Ermittlungen an sich. Hat er sich wohl anders vorgestellt.“
„Dein Vater will noch vorankommen.“ John fuhr den Pfad langsam entlang und achtete darauf, was sich rechts und links davon tat. „Im Grunde kann er noch immer Karriere machen und ich denke, er will auch nicht, dass du hier in Wolfgarten verdauerst.“
„Versauerst, meinst du.“ Svenja lachte auf. „Ja, ich glaube, es gefällt ihm hier nicht mehr. Er hat schon ein paar Mal seine Versetzung beantragt. Ist aber immer vertröstet worden.“
„Woher weißt du das?“
„Manchmal kriegt er seinen moralischen Anfall. Dann trinkt er zu viel Bier und fängt an zu reden. “
Turner sah sie mitfühlend an. „Das klingt ein bisschen so, als hättet ihr euch sonst nicht besonders viel zu sagen.“
„Nein, in letzter Zeit eher nicht.“ Svenja zuckte die Schultern. „Worüber auch?“ Sie sah den Ranger an. „Und du?“
„Was, und du?“
„Na ja, willst du auch weg?“
Er überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. „Nein. Es gefällt mir hier. Ist ein sehr schöner Naturpark und ich mag Tiere.“
„Und sonst?“
„Was, und sonst?“
Sie errötete ein wenig. „Ich meine ja nur. Also, ich weiß, dass du Tiere magst. Aber man sieht dich kaum in der Kermeter Schänke oder auf den Festen im Ort.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „So kommst du bestimmt nie zu einer Freundin.“
Turner lachte auf. „Na, du machst dir vielleicht Gedanken.“
„Ist doch normal für Männer“, setzte Svenja nach. „Ich meine, dass die eine Freundin haben wollen.“
„Ich finde, dass ist aber eine sehr private Frage.“
„Sind wir Freunde oder nicht?“
„Sind wir.“
„Und du hast mal gesagt, ich kann mit dir über alles reden.“
„Habe ich gesagt, ja“, bestätigte er.
„Und? Willst du keine Freundin?“
John Turner nahm eine Hand vom Steuer und schob seinen Rangerhut in den Nacken. „Irgendwann bestimmt. Aber das hat Zeit. So etwas muss man nicht überstürzen.“
„Hab ich Paps auch gesagt.“
„So, hast du?“
Svenja nickte. „Habe ich.“
Der Ranger warf ihr einen kurzen Blick zu und konzentrierte sich dann wieder auf den Weg. „Gab es dazu einen bestimmten Grund?“
„Er hat was mit der Schneider.“
Turner atmete tief durch. „Nun, Svenja, ich finde, dass ist zunächst einmal seine Sache, oder? Du bist ja selbst schon erwachsen und könntest in der Stadt wohnen, heiraten und eine Familie gründen.“
„Mal den Teufel nicht an die Wand.“ Sie lachte. „Ich will erstmal Kohle in meinem Job machen und für den Rest braucht man den passenden Mann.“
„Noch nicht gefunden?“
„Sehe ich so aus?“
„Wundert mich. Du gehörst doch zu den Hübschen. Die Burschen müssten bei dir Schlange stehen.“
„Man muss ja nicht gleich mit Jedem ins Bett hüpfen.“
John warf ihr einen kurzen Blick zu. „Oder mit Jeder, nicht wahr? Was hast du gegen die Schneider? Ich finde, sie macht einen guten Job. Sie hat sich sehr für den Park bei uns eingesetzt.“
„Ich kann sie einfach nicht leiden.“
„Musst du ja auch nicht.“ Er sah sie erneut kurz an. „Aber deshalb musst du deinem Vater den Spaß ja nicht verderben.“
Svenja zog eine Schnute. Schließlich lächelte sie. „Wahrscheinlich hast du Recht. Und, was machst du? Wenn du Spaß haben willst?“
„Wenn du es genau wissen willst… Wenn ich Spaß haben will, dann fahre ich nach Schleiden.“
„Oh.“ Svenja begriff. „Na ja, auch eine Möglichkeit.“
Turners Gesicht wurde für einen Augenblick ernst. „Es ist nicht immer einfach für mich, hier draußen, auf dem Lande.“
„Warum?“
„Manche meinen, ich sei zu lange in der Sonne gewesen.“
Svenja verstand und konnte sich an einen Vorfall im letzten Sommer erinnern. Damals hatte ein kleines Mädchen an der Haut Turners gerieben. Das Kind hatte feststellen wollen, ob denn die dunkle Hautfarbe auch echt sei.
„Wird Zeit, dass es wieder regnet“, wechselte der Ranger das Thema. „Sieh dir mal den Boden an. Der ist völlig ausgetrocknet.“
Svenja sah auf den Fahrweg hinunter. John hatte Recht. Das Erdreich war an der Oberfläche trocken und rissig und das Fahrzeug zog trotz der langsamen Fahrt eine beachtliche Staubschleppe hinter sich her. „Es hat doch erst vor ein paar Tagen geregnet.“
„Viel zu wenig. Der fehlende Regen erhöht die Waldbrandgefahr und wir müssen regelmäßig die Tränken prüfen, an denen sich die Tiere ihr Wasser holen. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass sich der Böttenbach nicht staut. Er füllt weiter unten einige wichtige Wasserstellen.“
Der Ranger deutete durch die Windschutzscheibe. „Wir sind da. Da vorne ist der Zulauf.“
Turner stellte den Motor ab und sie stiegen aus dem Geländewagen. Rechts von ihnen verliefen der Zaun und der Wasserlauf. An dieser Stelle floss er unter dem Zaun hervor, auf die andere Seite des Wanderweges. Eine winzige Bohlenbrücke führte über den Bach hinweg. John runzelte die Stirn und stieß einen leisen Fluch aus. „Da hat sich wirklich Knüppelholz am Zaun angesammelt. Siehst du, wie sich das Wasser zu stauen beginnt? Das ist ärgerlich, ich muss auf die andere Seite.“
„Machst du das nicht gerne?“
„Nein.“ Turner deutete auf den Beifahrersitz. „Steig ein. Wir müssen zum Tor. Wenn wir auf der anderen Seite sind, bleib bitte im Wagen, ja?“
„Oh, Mann, du bist eine echte Spaßbremse.“
„Ich steige drüben selbst nur selten aus. Natur und Tiere sollen sich möglichst unberührt entwickeln.“
„Aber es sind doch auch immer wieder Vogelkundler und andere Forscher im abgesperrten Teil.“
Der Ranger nickte. „Und die wissen auch alle, wie sie sich verhalten müssen, um die Tiere und Pflanzen möglichst wenig zu stören.“
„He, ich werde ganz still sein, okay?“
„Du bist eine wirkliche Nervensäge.“
„Sagt Paps auch immer.“
Sie fuhren den Weg weiter entlang und Turner nickte zögernd. „Schön, du kannst mit mir aussteigen.“
„Cool.“
„Aber du wirst nicht herumlaufen, dich nicht entfernen und nichts anfassen.“
„Geht klar, Chef.“
Man konnte durch zwei Tore in den abgesperrten Teil des Naturparks gelangen. Das von Wolfgarten und ein Zweites bei der Abtei Mariawald. Es gab noch einige kleine Nebentore für Notfälle. Eines davon befand sich in der Nähe der alten Burg. Sie waren für den Fall vorgesehen, dass es zu einem Waldbrand kam.
„Na schön, fahren wir zurück.“ Turner wendete behutsam und blickte in den Bereich jenseits des Zauns. „Wenn ich mich auf der anderen Seite dicht am Zaun halte, müssten wir mit dem Wagen durchkommen.“
Für Turner bedeutete dieser Umstand, dass er zum Tor und praktisch demselben Weg auf der anderen Seite wieder zurück fahren musste.
Während der Fahrt begegneten sie zwei Wanderern und John hielt, bis diese am Fahrzeug vorbei waren. Dann fuhr er langsam weiter, bis sie das Tor erreichten. Es bestand aus zwei Flügeln und war aus massiven Stahlrahmen gebaut, zwischen denen Stahldraht gespannt war. Ebenso solide, wie der gesamte Zaun. Selbst starken Raubtieren wäre es nicht gelungen, ihn zu beschädigen.
Der Ranger auf die schwere Kette, welche die Flügel verschlossen hielt. „Wäre bequemer, wenn wir hier einen elektrischen Toröffner hätten, aber jedes bisschen Elektrik heißt auch, dass man eine potenzielle Fehlerquelle hat. Ein Kurzschluss könnte das Tor aufgehen lassen und das wollen wir nicht riskieren.“ Er grinste. „Der wahre Grund ist wohl eher, dass die Parkverwaltung kein Geld dafür ausgeben will. Na ja, ein bisschen Bewegung schadet nicht.“
John Turner stellte den Motor ab und zog den Zündschlüssel. An dem kleinen Bund waren mehrere Schlüssel zu erkennen, die zu den verschiedenen Türen und Toren des Parks und der Rangerstation gehörten.
„Gibt es keinen Zentralschlüssel?“, fragte Svenja interessiert.
„Doch. Sogar mehrere. Drei haben die umliegenden Feuerwehren. Aber meinen lasse ich in der Station“, erwiderte John. „Ich habe mal in einem Haus mit Schließanlage gewohnt und den Schlüssel verloren. War ein kostspieliges Erlebnis. Alle Schlösser wurden ausgetauscht.“
Während er die Flügel des Tores öffnete, sah Svenja einen Fuchs, der ein Stück neben dem Pfad stand und sich nicht bewegte. Er schien sie direkt anzusehen und sie konnte der Verlockung nicht widerstehen und stieg nun ebenfalls aus. Als sie in die Hocke ging, kam der Fuchs näher.
Die Torflügel schwangen mit einem leisen Quietschen auf und als der Ranger zum Wagen kam, lachte er leise auf. „Das muss man dir lassen, du kannst mit Tieren umgehen.“
Beim Klang der Worte fuhr der Fuchs herum und war mit wenigen Sätzen im Gehölz verschwunden. John Turner sah Svenja abschätzend an. „Ist wirklich ungewöhnlich. Du hast etwas an dir, das alle Tiere die Scheu verlieren lässt. Ist mir schon einige Male aufgefallen.“
„Vielleicht spüren sie einfach, dass ich ihnen nichts Böses will.“
„Ich will ihnen auch nichts Böses und trotzdem hauen sie vor mir ab“, stellte er fest. „Okay, ein paar Meter bis wir durch sind, dann kann ich wieder zumachen.“
Svenja blieb im Wagen, während Turner das Tor öffnete, den Wagen hindurch fuhr und es sorgfältig wieder verschloss. Direkt an der Innenseite des Zauns war ein schmaler Pfad erhalten geblieben, welcher der Instandhaltung und Überwachung diente. An einigen Stellen hatten sich Büsche und Äste dicht herangeschoben, aber Turner schaffte es, seinen Wagen vorsichtig an der Absperrung entlang zu steuern. Svenja schloss das Seitenfenster, da immer wieder Zweige am Fahrzeug entlang streiften. Schließlich erreichten sie die Stelle, wo sich das Wasser des großen Böttenbachs staute.
„Bleib am Wagen“, ermahnte John Turner und nahm eine Schaufel vom Fahrzeug.
Svenja zog einen Schmollmund und lehnte sich an die Karosserie, während der Ranger zum Wasser ging und das angeschwemmte Knüppelholz untersuchte, welches sich dort verkeilt hatte. Für sie war es nicht gerade aufregend, wie der Farbige das Holz mit der Schaufel löste und sie sah sich nach Interessanterem um. Ihr Blick fiel auf einen merkwürdigen dunklen Schatten, der ein Stück weiter unmittelbar am Zaun lag.
Sie warf dem beschäftigten Turner einen kurzen Blick zu und schlenderte dann zu dem Objekt hinüber, welches ihre Neugierde geweckt hatte.
Ihr Blick fiel auf einen kleinen Körper, der hier im Gras lag. Er war ohne Zweifel tot, doch er konnte noch nicht lange dort liegen. Ein paar Fliegen stiegen auf, als sie sich neben den Kadaver hockte. Es musste ein Hund gewesen sein, aber die Rasse konnte sie nicht feststellen, da ihm der Kopf abgerissen worden war. Sonst waren keine Verletzungen zu erkennen.
„Armer kleiner Kerl“, murmelte Svenja mitfühlend. „Wer hat dir das bloß angetan?“
Eher unbewusst streichelte sie über das seidige Fell. Es kam ihr ein wenig dichter und rauer vor, als sie es von Hunden gewohnt war.
Eine der Fliegen wurde aufdringlich und flog ihr direkt ins Auge. Erbittert fluchend kniff sie es zusammen und spürte, wie Tränen austraten. Verärgert wischte sie es mit dem Handrücken.
Turner hatte ihre Flüche gehört und kam herüber. „Der Bachlauf ist wieder frei. Was machst du da?“
„Mir ist was ins Auge geflogen.“
„Komm, zeig her.“ Turners Augen verengten sich. „Verdammt, was hast du angefasst? Deine Finger sind blutig und das Auge auch.“
„Was? Scheiße.“
„Nicht darüber reiben“, knurrte er und zog ihre Hand vom Auge zurück. „Komm mit ans Wasser, das müssen wir ausspülen.“
„Es brennt.“
„Kann ich mir vorstellen.“ Er zog sie einfach mit sich zum Bach und deutete auf das friedlich plätschernde Gewässer. „Schöpf Wasser mit der hohlen Hand und spül das Auge aus. Aber auf keinen Fall reiben, klar?“
„Klar, verdammt. So ein Mist.“
Nachdem sie mehrere Ladungen Wasser an ihr Auge gebracht hatte, hörte das Brennen auf. Erleichtert richtete Svenja sich wieder auf. „Ich glaube, es ist wieder in Ordnung.“
„Wir werden sehen“, meinte er skeptisch. „So, und jetzt sag mir, woher das Blut stammt. Du selbst hast ja keine Verletzung.“
„Da vorne liegt ein toter Hund.“
„Ein Hund?“
„Ja, Mann, ein Hund.“ Svenja zuckte die Schultern. „Na ja, was von ihm übrig ist.“
„Zeig es mir.“
Sie gingen zu der Stelle und Turner stieß einen leisen Fluch aus. „Scheint wirklich ein Hund zu sein.“ Er zupfte Einmalhandschuhe aus der Brusttasche seines Hemdes und untersuchte den kleinen Kadaver flüchtig. „Ist noch nicht lange her. Ein oder zwei Tage, das lässt sich bei den sommerlichen Temperaturen schwer sagen. Er könnte von einem Luchs gerissen worden sein. Aber dass der Kopf fehlt, ist schon recht merkwürdig.“
„Ein Luchs?“ Svenja erblasste ein wenig. „Sind die nicht gefährlich?“
„Oh ja, das sind sie.“ Er warf ihr einen kurzen Blick zu und erhob sich, um zum Wagen zu gehen. „Aber sie sind auch schlau, wie die meisten Raubtiere. Die greifen nur an, wenn es sich für sie lohnt und das Risiko klein ist. Weißt du, die riskieren es nicht gerne, dass sie selber verletzt werden. Sonst können sie keine Beute jagen und das kann ganz schnell bedeuten, dass sie verhungern müssen. Also, keine Angst, Svenja, wir passen nicht ins Beuteschema eines Luchses. Es sei denn, er fühlt sich von uns bedroht.“
„Echt beruhigend.“
„Ja, nicht wahr?“ Er zog eine Plastikplane vom Wagen und ging zum Kadaver zurück, um ihn darin einzuwickeln. „Ich schicke ihn zur Tierpathologie.“
„Warum das?“
„Zunächst einmal wegen deinem Auge, Svenja. Falls das Tier irgendeine Krankheit hatte, könntest du dich an seinem Blut infiziert haben.“
„Ich hab nicht daran geleckt. Da steh ich nicht so drauf.“
Er grinste. „Brauchst du auch nicht. Du hast es nämlich in deinem Auge verrieben. Das nennt man Schmierinfektion.“
„Mist. So was kann auch nur mir passieren.“
„In der Station bekommst du ein paar Tropfen und die nächsten Tage musst du darauf achten, ob das Auge zu brennen beginnt oder du irgendwelche Anzeichen einer Krankheit entwickelst. Unwohlsein, Fieber oder so. Hast du das verstanden?“
Svenja wurde es nun doch ein wenig mulmig. Mit blassem Gesicht nickte sie. „Und der andere Grund?“
„Der andere Grund?“
„Für die Untersuchung. Du sagtest…“
„Ach so, ja.“ Er legte den eingehüllten Kadaver auf die Ladefläche und zog die Handschuhe aus. „Offen gesagt, ich kann mir nicht erklären, wie ein kleiner Hund hierher gekommen sein könnte. Ich muss den Zaun nochmals vollständig überprüfen, ob es irgendwo einen Durchschlupf gibt.“ Er stieg ein und Svenja folgte seinem Beispiel. „Zudem“, murmelte er nachdenklich, während er den Motor startete, „bin ich mir nicht sicher, was das für ein Hund war.“
„Na ja, ein kleiner. Das konnte man doch sehen.“
Er sah sie an und biss sich auf die Unterlippe. „Falls es überhaupt ein Hund war.“
„Was meinst du damit? Was soll es denn sonst gewesen sein?“
„Keine Ahnung“, brummte er und zum ersten Mal spürte Svenja, das ihr farbiger Freund ihr etwas verschwieg. Svenja wusste, dass sie einen Fehler begangen hatte und sie konnte nur hoffen, dass dieser Fehler keine ernsthaften Konsequenzen haben würde.