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Kapitel 16

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„Du siehst ziemlich übel aus.“ John Turner musterte Svenja skeptisch.

Er lehnte in der offenen Tür der Rangerstation. Diese stand wie die Fenster weit offen und John hatte seinen Hut in der Hand und fächelte sich etwas Luft zu. Svenja war ein wenig überrascht, dass er als Farbiger ebenso unter der sommerlichen Hitze litt, wie sie selbst.

„Es ist einfach zu heiß.“ Svenja stellte ihr Mofa auf den Ständer und schlenderte auf den Freund zu. Sie wischte sich Schweiß von der Stirn.

„Ja“, stimmte John zu. „Selbst die Stechmücken machen sich rar.“

Es war wirklich sehr heiß, doch das war nicht der Grund, warum Svenja sich nicht besonders wohl fühlte. Sie hatte schlecht geschlafen und seltsame Dinge geträumt. Der Traum war derart merkwürdig gewesen, dass Svenja ihn nicht einmal ihrer Freundin Kim anvertraute. Der Traum verwirrten, ja, er ängstige sie. Aber vielleicht hatte sie diesen schrecklichen Alb ja nur wegen der abnormen Hitze, die sich im Talkessel staute.

John ging zu der Eistruhe, die am Souvenirladen der Station stand, öffnete den Deckel und warf Svenja ein Eis zu. „Hier. Fühl dich eingeladen.“

„Danke, kann ich echt gebrauchen.“

Er steckte den Kopf durch die Tür. „Bärbel, ein Eis auf meine Rechnung.“

„Okay, John“, kam die Erwiderung von Frau Honnig. Diese beugte sich aus dem weit geöffneten Fenster und winkte Svenja einen freundlichen Gruß zu. „Ist wirklich eine Affenhitze, was, Svenja? Und, bist du wegen der Wölfe da?“

„Wieso?“

Bärbel Honnig errötete ein wenig. „Oh, ich dachte, John hätte dir Bescheid gesagt. Schließlich gehörst du ja fast schon zum Inventar des Parks.“

Svenja sah den Ranger an, der verlegen seinen Hut aufsetzte und in den Nacken schob.

„Na ja, wir wollten kein großes Aufhebens darum machen“, seufzte er. „Heute kommen die Wölfe.“

„Echt? Cool.“ Sie schleckte an ihrem Eis. „Und warum sagt das keiner?“

„Weil man den Tieren möglichst viel Ruhe gönnen will. Der Transport ist für die beiden Tiere schon stressig genug.“

„Wieso stressig? Wann kommen die Wölfe denn?“

„Ich glaube, ich nehme mir auch ein Eis.“ John beugte sich zur Eistruhe. „Eins von denen da.“ Er presste das Eis für einen kurzen Moment in den Nacken. „Ah, verdammt, das tut gut.“ Dann wickelte er es aus und deutete in den Himmel hinauf.

„Für das Akzeptanzprojekt braucht EWoP ein wildes Wolfpaar. Keines, das durch Zucht schon an den Menschen gewöhnt ist und erst recht keins, welches aus einem Tierpark stammt. Nein, ein echtes Paar aus der unberührten Natur.“ Er nickte Svenja zu. „Und dieser Professor Kahnke von der EWoP hat das auch geschafft. Irgendwo in der Türkei hat man ein entsprechendes Pärchen ausfindig gemacht und beobachtet. Man wartete nur noch auf das Okay aus Wolfgarten und dann musste alles sehr schnell gehen.“

„Verstehe, wegen dem Stress uns so“, warf Svenja ein.

„Richtig. Wildlebende Tiere reagieren sehr empfindlich auf Störungen und es ist ja nicht alleine der seelische Stress, dem die Tiere unterworfen werden. Die erforderliche Betäubung und die Transportbedingungen setzen ihnen ebenfalls zu. Man kann die Armen ja nicht ewig unter Narkose halten.“

„Und wie hat man das dann gemacht? Ich meine, damit sie möglichst keinen Stress kriegen?“

„In der Türkei hat man sie betäubt, dann mit einem Helikopter zum nächsten Flugplatz gebracht. Von da eine Sondermaschine, direkt nach Köln/Bonn. Und jetzt bringt sie ein weiterer Hubschrauber zu uns.“

„Hierher? Mann, war aber nicht billig, was?“

„Ganz bestimmt nicht.“ John blickte auf die Uhr. „Sie müssten bald eintreffen. Bin eben von der EWoP-Station angerufen worden, dass sie den Heli erwarten. Doktor Mayen von der Beobachtungsstation und Janice überwachen dann das Verladen in den Geländewagen.“

„Janice?“ Svenja runzelte die Stirn.

„Janice Göllner“, erwiderte Turner und lächelte. „He, du bist doch nicht etwa eifersüchtig?“

Sie ging auf seinen Scherz ein. „Und wie. Sobald es Dunkel ist, komme ich und kratze dir die Augen aus.“

Sie lachten beide.

Das typische Geräusch eines Helikopters wurde hörbar. Er flog sehr tief und verstieß damit eigentlich gegen die Auflagen des Naturparks. Aber für die Wölfe musste man eine Ausnahme machen. Dann wurde die Maschine sichtbar.

„Der ist ziemlich groß“, stellte Svenja fest.

„Oh ja, das musste er auch sein. Auf der gesamten Transportstrecke befanden sich die beiden Wölfe unter ärztlicher Beobachtung und es waren alle Geräte dabei, um nötigenfalls eingreifen zu können, falls es Komplikationen gibt. Wie schon erwähnt, das Ganze ist absolut nicht billig. Sobald der Chopper wieder abhebt, wird der Transport in den abgesperrten Bereich mit Geländewagen durchgeführt. Ist ja nur eine Katzenspucke“, meinte John Turner.

„Ein Katzensprung“, korrigierte Svenja ihren farbigen Freund. Der grinste sie breit an.

Der Transporthubschrauber kreiste einmal über der Rangerstation und setzte dann zur Landung an. Erst jetzt wurde Svenja auf Markierungen aufmerksam, die auf einer Weide Woliceks angebracht waren und dem Piloten als Landehilfe dienten. Von Wolicek und seinen Kühen war allerdings nichts zu sehen. Der Bauer war wohl auf die Landung vorbereitet und hatte seine Tiere zu einer entfernteren Stelle gebracht.

Das Dröhnen der beiden Rotoren machte jede normale Unterhaltung unmöglich. Svenja sah, wie sich Johns Lippen bewegten und er deutete zur Seite. Dort standen zwei der Parkmitarbeiter und schirmten die Gesichter gegen den Sturm ab, den die Drehflügel verursachten.

Der Hubschrauber setzte mit einem sanften Wippen auf seinem Fahrwerk auf und das Lärmen verstummte, als der Pilot die Turbinen abschaltete.

„Kahnke und die Leute von EWoP müssten jeden Augenblick erscheinen. Die haben den Krawall sicherlich gehört“, rief John, der das Dröhnen und Wummern noch in den Ohren hatte. „Eigentlich hätte ich erwartet, dass sie hier schon seit Sonnenaufgang auf der Lauer liegen. Die können es ja gar nicht erwarten, die Graupelze in Empfang zu nehmen.“

Tatsächlich tauchte nach wenigen Augenblicken der weiße Geländewagen von EWoP aus dem Ziegenbendges Weg auf. Zwei Leute saßen vorne, Zwei hinten. Eine Frau mit langen, kastanienbraunen Haaren saß am Steuer und winkte John kurz zu, zum Zeichen, das es nun endlich losgehe. Sie war sehr hübsch, wie Svenja fand. Turner war sichtlich der gleichen Meinung.

Svenja stieß ihm grinsend in die Rippen. „Ah, das ist wohl diese Janice Göllner, was, John? Wisch dir den Sabber vom Mund, Ranger. Sonst sieht jeder, dass du scharf auf sie bist.“

John Turner ging auf ihren Scherz ein, dann zog er den Schlüssel seines eigenen Wagens aus der Hemdtasche. „Die beiden Arbeiter gehen jetzt zum Tor. Bramke wartet dort schon.“

Das Umladen der Wölfe vom Helikopter in den Geländewagen ging schnell und routiniert vor sich. Die hübsche Frau winkte John zu und gab diesem damit das Zeichen, dass man nun losfahren könne.

John klimperte mit seinem Schlüsselbund. „Willst du mich begleiten? Natürlich nur, wenn du dich ruhig verhältst und nicht störst.“

„Wie eine Statue“, versicherte Svenja und erntete einen skeptischen Blick Turners.

Der Geländewagen von EWoP fuhr ab und John und Svenja stiegen in den Wagen des Rangers. Die Turbinen des Hubschraubers begannen wieder zu lärmen und als die beiden Fahrzeuge den Waldrand erreichten, startete die Maschine auch schon zum Rückflug.

Die beiden Geländewagen erreichten den Waldrand. Die Bäume standen hier dicht am Ziegenbendges Weg und Svenja war froh über den Schatten, den sie spendeten. Die Sonne schien zwischen den Zweigen hindurch und zauberte einen Wechsel von Licht und Schatten auf den Boden. Es war nicht viel Schatten, aber bei der herrschenden Hitze war Svenja für jede Linderung dankbar.

Sie blickte auf die Fahrbahn hinunter. „Der Weg ist jetzt viel bequemer. Warum hat man ihn überhaupt asphaltiert?“

„Ja, holperig wird es erst wieder, wenn wir in den abgesperrten Bereich fahren. Aber das ist Beton, Süße. Den hat man verwendet, damit die schweren Transportfahrzeuge, die das ganze Baumaterial gebracht haben, den Weg nicht ruinieren.“ Er grinste. „Ich weiß, hier sieht es jetzt aus, wie eine der alten Heerstraßen von damals.“

„Ach, du kannst ja etwas Farbe nehmen und ihn Grün streichen“, flachste Svenja. „Wer sind die anderen in dem Wagen?“

„Doktor Mayen, der Tierarzt und Leiter der Station, dazu ein türkischer Arzt, der den ganzen Transport begleitet hat und mit dem Flieger wieder in die Türkei reist. Dazu ein Fotograf, der das Aussetzen hier im Park dokumentieren wird.“ John lachte gutgelaunt. „Und, natürlich, die beiden Wölfe.“

Sie erreichten die Lichtung, die links am Weg lag und auf der sich die EWoP-Station befand. Die weißen Wände reflektierten das grelle Licht auf unangenehme Weise. Nur Sekunden später hielten die beiden Fahrzeuge am rechts liegenden Tor. Die beiden Parkmitarbeiter schlossen auf und drückten die Flügel zur Seite. Förster Bramke, dem der Wolfgartener Forst zum größten Teil unterstand, nickte ihnen zu und achtete darauf, dass keine Tiere das offene Tor passierten. Hinter den beiden Fahrzeugen wurde das Tor wieder geschlossen.

Svenja war in der Vergangenheit oft hier spazieren gegangen und bemerkte überrascht die Veränderung. „Ich dachte, hier gibt es keine Wege. Habt ihr hier welche angelegt?“

John nickte. „Nur ungern, aber uns blieb keine Wahl. Die Tiere müssen möglichst schnell vor Ort und aus dann der Betäubung geholt werden.“ Turner wies auf das Thermometer am Armaturenbrett. „Außerdem wird es in den Fahrzeugen heiß.“

„Ich glaube, dafür brauche ich kein Thermometer“, seufzte Svenja.

Offensichtlich hatte man in den letzten Tagen einen kleinen Pfad vorbereitet, den die Fahrzeuge nutzen konnten. Es war kein richtiger Weg und man hatte auch nur das Knüppelholz zur Seite gezogen, doch die Geländewagen kamen damit zurecht. Der Pfad machte ein paar unangenehme Biegungen, denn die vom Alter oder Sturm gefällten Bäume hatte man nicht beseitigen wollen.

„Der Wald riecht hier anders“, murmelte Svenja.

„Anders?“ Turner runzelte die Stirn und nickte dann. „Ah, verstehe. Der abgesperrte Bereich wird ja nicht forstwirtschaftlich betreut. Alles zerfällt auf natürliche Weise. Hier riechst du auch das vermodernde Holz, was in den anderen Bereichen noch oft geräumt wird.“

„Wo fahren wir hin? Ich meine, gibt es ein bestimmtes Ziel oder werden die beiden Wölfe einfach irgendwo ausgesetzt?“

„Ein Stück nördlich befindet sich der alte Römerstein und in seiner Nähe ist eine kleine Höhle, die sich gut als Unterschlupf eignet. Natürlich bringen wir sie nicht direkt dorthin. Unser Geruch würde haften bleiben und es kann gut sein, dass die Wölfe die Höhle dann nicht mehr annehmen. Aber wir setzen sie in der Nähe ab.“

Trotz der Allradantriebe hatten die beiden Fahrzeuge nun zu kämpfen, um sich ihren Weg zu bahnen. Das Gelände war trotz der Vorbereitungen praktisch unberührt und wenn Turner hier einmal nach dem Rechten sah, dann ging er ja zu Fuß, um die Tiere möglichst wenig zu stören. Ihnen zuliebe nahm er lieber ein paar Unbequemlichkeiten in Kauf. Das Ruckeln des Fahrzeugs war trotz der Federung recht unangenehm und Svenja fragte sich unwillkürlich, wie die armen Wölfe das Schütteln wohl ertragen mochten.

„Wir sind da.“ Turner bremste ab und schaltete den Motor aus. „Ich werde sehen, ob sie Hilfe brauchen. Du bleibst hier im Wagen.“

Svenja zog einen Schmollmund, aber John sah sie mahnend an und so blieb ihr keine Wahl. Leicht verstimmt sank sie in die Polster zurück, doch die Neugierde ließ sie nach draußen sehen, wo die Männer und Janice Göllner nun am Heck des EWoP-Fahrzeugs standen. Alles ging überraschend schnell und wenig spektakulär vor sich.

Der Fotograf trug zwei verschiedene Kameras an Trageriemen um den Hals und schoss ganze Serien von Fotos. Er schien genau zu wissen, worauf es ankam und hielt Abstand zu den Forschern, welche nacheinander zwei schalenartige Tragen mit den Wölfen aus dem Heck des Wagens zogen. Behutsam wurden die Tiere auf den Boden gelegt. Doktor Mayen untersuchte sie und verabreichte ihnen mehrere Injektionen. Dann nickte er den Anwesenden zu.

Turner kam mit raschen Schritten zum Geländewagen zurück. „Jetzt aber nichts wie weg. Sie sollen in Ruhe aufwachen.“

„Und woher weiß man, dass alles gut geht?“, fragte Svenja skeptisch.

Der Ranger zog die Tür zu und deutete durch die offene Seitenscheibe. „Sie befinden sich hier im Erfassungsbereich eines Kameraturms. Wir fahren jetzt außer Sicht- und Hörweite der Tiere, aber notfalls können wir noch rasch eingreifen. Wenn alles glatt geht, ziehen wir uns leise zurück.“

„Aber wenn wir sie nicht sehen, wie erfahren wie dann…“

„Kameraturm“, erinnerte John und hielt dann sein Mobiltelefon hoch. „In der Station werden wir und die Wölfe schon längst beobachtet. Da hat man die Monitore im Blick. Läuft etwas schief, rufen die sofort an.“

„Hätte ich mir denken können.“

„Ja, das ist nicht immer deine Stärke“, scherzte der Ranger. Sein Mobiltelefon vibrierte und der Ranger nahm das Gespräch an.

„Und?“, fragte Svenja.

John lächelte breit. „Alles okay. Wolfgarten hat seine Wölfe.“

Svenja klatschte demonstrativ in die Hände, was ihr ein kurzes Lächeln einbrachte.

John wurde unvermittelt ernst. „Übrigens, da wir gerade beim Thema Wolf sind… Kannst du dich noch an den kleinen Hund erinnern, den wir vor einiger Zeit gefunden haben?“

„Von dem ich das Blut ins Auge bekam? Klar, kann ich mich erinnern. Was ist damit?“

„Ich hab den Kadaver damals in die Tierpathologie geschickt, da er mir ungewöhnlich vorkam. Ich habe die Ergebnisse bekommen. Na ja, das klingt jetzt ein wenig seltsam, aber das war kein Hund.“

„Kein Hund?“ Svenja blinzelte überrascht.

„Kein Hund“, bestätigte John. „Ein Wolfswelpe, keine sieben Wochen alt.“

„Ein Wolf?“ Sie sah ihn überrascht an. „Ist doch Blödsinn. Bei uns gibt es keine Wölfe. Also, ich meine, damals gab es keine. Jetzt natürlich schon.“

„Definitiv ein Wolfsjunges.“

„Dann waren damals schon Wölfe hier? Und sind es vielleicht immer noch?“ Svenja sah auf die vorbei gleitende Landschaft des Parks. „Oh, Mann, hast du nie etwas bemerkt?“

„Nichts“, versicherte Turner. „Keine Spuren, keine Wolle vom Fell, kein gerissenes Wild. Auch kein Heulen. Dabei muss es ja ein Pärchen geben, wenn es auch ein Junges gab. Zumindest ein Weibchen. Ich muss allerdings zugeben, ich bin auch nur sehr selten im abgesperrten Bereich.“

„Wow.“ Svenja deutete auf das vorausfahrende Fahrzeug der EWoP. „Wissen die Wolfsforscher davon? Ich meine, falls sich schon ein Wolf hier befindet, dann hat das doch Einfluss auf das eben ausgesetzte Wolfspaar, nicht wahr?“

„Ich habe das mit der Parkleitung besprochen und natürlich mit Förster Bramke und Frau Schneider. Es gab bislang kein Anzeichen für einen oder mehrere andere Wölfe. Lebende, meine ich. Und der Welpe war tot.“

„Ich verstehe.“ Svenja warf John einen vorwurfsvollen Blick zu. „Ihr habt nichts gesagt, weil die Forscher von EWoP ihr Projekt sonst woanders angesiedelt hätten und nicht in unserem Park, nicht wahr?“

John zuckte die Schultern. „So oder so, Wolfgarten hat seine Wölfe.“

Das Blut des Wolfes

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