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bb) Grenzüberschreitender Sachverhalt

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Ebenso wie die übrigen Grundfreiheiten schützt auch Art. 45 AEUV als Instrument zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarkts (vgl. Art. 3 Abs. 2, 3 EUV, Art. 26 Abs. 2 AEUV) nur EU-binnengrenzüberschreitende Sachverhalte, was in dessen Absatz 2 im Merkmal „innerhalb der Union“ zum Ausdruck kommt.15 Tätigkeiten, die keinerlei Berührungspunkte mit irgendeinem derjenigen Sachverhalte aufweisen, auf die das Unionsrecht abstellt, und die mit keinem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, werden deshalb nicht von Art. 45 AEUV geschützt.16

Wie von M vorgetragen, könnte Letzteres hier durchaus der Fall sein, handelt es sich bei dem Arbeitssuchenden B doch gerade um eine Person, die in M als demjenigen Mitgliedstaat wohnt, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und die sich um eine Stelle bei einer lokalen Dienststelle in eben diesem Mitgliedstaat beworben hat.

Jedoch erschöpft sich der hiesige Sachverhalt nicht in diesen rein innerstaatlichen Vorgängen. Vielmehr tritt hinzu, dass sich der Stellenbewerber B zum Nachweis der geforderten Sprachkenntnis auf eine diesbezügliche Bescheinigung einer Hochschule aus einem anderen Mitgliedstaat beruft.

Zu derartigen Konstellationen, in denen sich die eigenen Staatsangehörigen gegenüber ihrem Herkunftsmitgliedstaat in einer vergleichbaren Lage befinden wie die in diesen unter Inanspruchnahme ihres Rechts auf Arbeitnehmerfreizügigkeit zuziehenden Angehörigen anderer Mitgliedstaaten, hat der EuGH bereits in seiner Kraus-Entscheidung für Recht erkannt, dass die praktische Wirksamkeit (effet utile, vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV) der Arbeitnehmerfreizügigkeit dann nicht voll verwirklicht wäre, wenn die Mitgliedstaaten den Schutz des nunmehrigen Art. 45 AEUV denjenigen ihrer Staatsangehörigen versagen dürften, die von der darin vorgesehenen Erleichterung Gebrauch gemacht und dank dieser eine berufliche Qualifikation in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen erworben haben, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen.17

Wäre ein EU-binnengrenzüberschreitendes Element vorliegend damit an sich gegeben, so gilt es freilich die Besonderheit zu beachten, dass B sich nicht physisch ins EU-Ausland begeben hat, um dort seine Sprachqualifikation zu erlangen, sondern dies ohne Wohnsitzverlagerung im Wege eines online-basierten Fernstudiums getan hat. Wenngleich damit mangels vorausgegangenen Wegzugs denknotwendig auch kein echter „Rückkehrer-Fall“ im vorstehenden Sinn vorliegt, so lässt es der EuGH im Kontext des ebenfalls einen grenzüberschreitenden Sachverhalt „innerhalb der Union“ voraussetzenden Art. 56 AEUV aus teleologischen Gründen freilich ausreichen, wenn ohne Ortsveränderung der in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässigen Dienstleistungsempfänger und -erbringer lediglich die (sog. Korrespondenz-)Dienstleistung eine EU-Binnengrenze überschreitet.18 In konsequenter Übertragung dieser Rechtsprechung auf die im vorerwähnten Merkmal wortgleiche Grundfreiheit des Art. 45 AEUV muss daher auch hier der Umstand, dass der fragliche Sprachnachweis durch ein Fernstudium erlangt wurde, als unerheblich betrachtet werden.19

Dafür sprechen zudem folgende Überlegungen: Angenommen, ein in einem Mitgliedstaat wohnhafter Studierender belegt einen Fernkurs, der von einer in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Ausbildungseinrichtung durchgeführt wird. Zur Ablegung der mündlichen Abschlussprüfung müsste er diese Einrichtung an sich persönlich aufzusuchen. Aus gesundheitlichen Gründen ist er aber reiseunfähig. Deshalb gestattet es ihm die den Fernunterricht durchführende Ausbildungseinrichtung ausnahmsweise, die mündliche Prüfung von zu Hause aus per Videokonferenzschaltung abzulegen. Diese Prüfung besteht er und erlangt seine Berufsqualifikation. Einen Grund, weshalb dieser Studierende nicht in den Genuss von Art. 45 AEUV kommen sollte, ist nicht ersichtlich.20

Ein grenzüberschreitender Sachverhalt i.S.v. Art. 45 AEUV ist damit gegeben.

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