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3. Kultur der Bestellung und Distanz zur Politik
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Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Bestellung von Verfassungsrichtern bilden nur einen Teil der Bedingungen. Die faktische Auswahl wird daneben stark mitbestimmt von der Verfassungskultur des Landes. Soweit qualifizierte Quoren verfassungsrechtlich vorgegeben werden, wird der Zwang zum Kompromiss in der Verfassung unmittelbar deutlich. Aber auch darüber hinaus gehend lässt sich in vielen Staaten beobachten, dass in der Tendenz keine Richter bestellt werden, die konsequente Parteigänger sind oder extreme Positionen vertreten. In Österreich hielt sich auch in Zeiten der Alleinregierung einer großen Partei die Übung, der größten Oppositionspartei einen maßgeblichen Einfluss auf die Bestellung einer bestimmten Zahl von Richtern zu lassen.[129]
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Dem stehen jedoch Beispiele gegenüber, in denen es im Gefolge des Wechsels von Mehrheiten im Parlament zu Konflikten um die Wahl von Richtern kommt, die im Ergebnis auch zu echten Verfassungskrisen führen konnten. Das jüngste und wohl negativste Beispiel in der jüngeren Geschichte Europas sind die Richterwahlen rund um die Parlamentswahl vom Oktober 2015 in Polen.[130] Anlassbezogene Änderungen der Regelungen des Gesetzes vor der Wahl (durch die alte Mehrheit) und nach der Wahl (durch die neue Mehrheit) haben zur Wahl einer Zahl von Richtern geführt, die über jene hinausging, die in der Verfassung vorgesehen war.
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Auch in Ungarn war in den Jahren 2011/12 zu beobachten, dass die Parlamentsmehrheit die Zusammensetzung des Verfassungsgerichts und in der Folge die Mehrheitsverhältnisse bereits kurzfristig dadurch beeinflusste, dass eine Erhöhung der Zahl der Richter von elf auf 15 Richter vorgesehen wurde.