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b) Demokratische Legitimation
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Die demokratische Legitimation ist ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, der in den Zuständigkeiten zur Richterwahl unmittelbar deutlich wird. Abweichend von der Ernennung der Richter der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit ist in der weit überwiegenden Zahl der Fälle das Parlament zur Wahl entweder ausschließlich oder für die Mehrheit Richter zuständig. Auch dort, wo Regierungen Einfluss auf die Richterbestellung haben, ist eine mittelbare demokratische Legitimation gegeben. Am stärksten verdünnt ist die (personelle) demokratische Legitimation in den (allerdings den Ausnahmefall bildenden) Fällen der Selbstergänzung des Gerichts und der ex-lege-Mitgliedschaft ehemaliger Staatspräsidenten, wurden letztere zwar vom Volk gewählt, aber nicht für die Mitgliedschaft eines judizierenden Verfassungsorgans gewählt, die überdies nicht zeitlich begrenzt ist und daher (auch in der Praxis) über Jahrzehnte währen kann.
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Hinsichtlich Ausmaß und Art der demokratischen Legitimation gibt es Stufungen. Zum ersten sind sie im erwähnten Ausmaß parlamentarischer Beteiligung zu finden. Zum zweiten finden sich unterschiedliche Quoren für die Wahlen. Qualifizierte Mehrheiten von drei Fünfteln bis hin zu zwei Dritteln stellen in vielen Fällen sicher, dass nicht Parteigänger einer einfachen Regierungsmehrheit in das Gericht gewählt werden, sondern sichern der Opposition ein Mitspracherecht zu und zwingen zum Kompromiss.
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Schließlich hat die Amtsdauer Einfluss auf die demokratische Legitimation. Kürzere Amtszeiten erhöhen zwar die demokratische Legitimation, verringern aber die rechtsstaatlich gebotene Unabhängigkeit. Insoweit erscheint es vorzugswürdig, dem rechtsstaatlichen Ziel der Unabhängigkeit den Vorrang vor der (allzu) regelmäßigen Erneuerung der demokratischen Rückbindung zu geben.
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Ambivalent ist in dieser Perspektive die Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten zu betrachten. In den europäischen Gerichtshöfen werden diese, ebenso wie die Kammerpräsidenten, durch die Richter des Gerichts gewählt. Dieses Vorgehen ist bei einem internationalen oder supranationalen Gericht wohl alternativlos, jedenfalls aber offensichtlich die angemessenste Lösung, zumal Aspekte demokratischer Legitimation in verfassungsrechtlichem Sinn ohnehin in den Hintergrund treten.[156] Auf verfassungsrechtlicher Ebene vermittelt die Wahl durch das Richterkollegium jedenfalls nicht ein höheres Maß an demokratischer Legitimation, möglicherweise aber an richterlicher Unabhängigkeit für das Kollegium insgesamt. Innergerichtlich gilt es zu differenzieren und wird es von konkreten personellen Konstellationen abhängen, inwieweit die Wahl durch das Richterkollegium (in regelmäßig kürzeren Abständen) andere Abhängigkeiten befördert oder abbaut.