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a) Vorbemerkung: Zunehmende Einheit in der Vielfalt
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Die mit der Durchführung der verfassungsrechtlichen Normenkontrolle verbundenen zahlreichen theoretischen und praktischen Fragen haben zu einer großen Spannbreite in der Ausgestaltung dieser Verfahrensart geführt. Man übertreibt nicht, wenn man die Normenkontrolle als die vielgestaltigste verfassungsgerichtliche Verfahrensart überhaupt bezeichnet. Auf der anderen Seite lassen sich bei genauerem Hinsehen Entwicklungen feststellen, die zu einer zunehmenden Angleichung der prozessualen Ausgestaltung der Normenkontrolle in den verschiedenen Systemen der Verfassungsgerichtsbarkeit geführt haben. So ist selbst in den Vereinigten Staaten, die als das Geburtsland der konkret-repressiven Normenkontrolle angesehen werden, die abstrakt-präventive Normenkontrolle kein seltener Ausnahmefall mehr. Die vom Kongress verabschiedeten Gesetze sehen mittlerweile häufig vor, dass sie dem US Supreme Court noch vor ihrem formellen Inkrafttreten im „fast track“-Verfahren zur Überprüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorgelegt werden können. Darüber hinaus hat der Kongress die Bundesgerichte ermächtigt, in verfassungsrechtlichen Streitigkeiten Feststellungsurteile zu erlassen, was ebenfalls die Einreichung von Verfassungsklagen unmittelbar gegen Gesetze erleichtert.[39] Umgekehrt ist die konkret-repressive Normenkontrolle (question prioritaire de constitutionnalité) in Frankreich, wo bis zur Verfassungsreform von 2008 nur die abstrakt-präventive Form der Normenkontrolle vorgesehen war, bereits kurz nach ihrer Einführung zur quantitativ wichtigsten Verfahrensart aufgestiegen, weil sie dem Einzelnen die Möglichkeit eröffnet, über den Umweg der Cour de Cassation bzw. des Conseil d’État bereits in Kraft getretene Gesetze zur Überprüfung ihrer Vereinbarkeit mit den Grundrechten der Verfassung vor den Verfassungsrat zu bringen (dazu ausführlich unten IV. 2.).[40]