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1. Europäische Menschenrechtskonvention EMRK (Art. 6 EMRK, Art. 34 EMRK)

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Die EMRK enthält verschiedene Berührungspunkte mit der Verfassungsgerichtsbarkeit. Im Wesentlichen besteht die Anknüpfung darin, dass die EMRK von einer unabhängigen Verfassungsgerichtsbarkeit sowohl in ihren Einzelgarantien (Art. 6, 13) als auch im Verfahrensrecht (insbes. Art. 34) ausgeht.

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Es ist heute unbestritten, dass die Garantie des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK auch für die Verfassungsgerichtsbarkeit gilt, und zwar unter bestimmten Voraussetzungen auch im Normenkontrollverfahren.[132] Damit ist das Erfordernis verbunden, dass das Gericht unabhängig und unparteilich ist. Die Erfüllung dieser Kriterien wird maßgeblich durch das Verfahren der Bestellung und die Garantien für die Richter bestimmt.[133] Die Zuständigkeiten von Parlament, Regierung und Staatsoberhaupt beeinträchtigen für sich genommen die Unabhängigkeit nicht, solange hinreichende Garantien gegen die Abberufung bestehen und die Amtsdauer ein Mindestmaß überschreitet. Zwar ist bei den meisten Verfassungsgerichten eine kürzere Amtsdauer als bei Berufsrichtern in der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgesehen. Die von der EMRK geforderte Mindestdauer der Bestellung wird jedoch in allen Verfassungsgerichten überschritten. Am unteren Rand befinden sich unter diesem Gesichtspunkt der Staatsgerichtshof in Liechtenstein mit einer Amtsdauer von fünf Jahren und der Gerichtshof der Europäischen Union mit sechs Jahren. Zu Lasten der Unabhängigkeit fällt in beiden Fällen ins Gewicht, dass eine (auch mehrfache) Wiederwahl möglich ist. Dennoch besteht kein Zweifel, dass beide Gerichte den Anforderungen des Art. 6 EMRK in organisatorischer Hinsicht genügen. Demgegenüber wurde für den EGMR mit dem 14. Protokoll eine neunjährige Amtsdauer ohne Möglichkeit der Wiederwahl eingeführt. Von diesem Standard gehen auch die meisten Verfassungen für die jeweiligen Verfassungsgerichte aus.

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Auch durch Art. 13 EMRK ist ein Mindestmaß an Unabhängigkeit der Beschwerdeinstanz gefordert,[134] das allerdings nicht über die Anforderungen des Art. 6 EMRK hinausgeht, vielmehr allgemeiner formuliert ist. Die Verfassungsbeschwerde erfüllt in vielen Fällen die Funktion, effektiven Rechtsschutz i.S.d. Art. 13 EMRK zu erfüllen.[135]

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Mit Art. 13 EMRK steht die Zulässigkeitsvoraussetzung der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges nach Art. 35 EMRK in engem Zusammenhang. Nur eine effektive Verfassungsgerichtsbarkeit gehört zu den innerstaatlichen Instanzen, die vor der Erhebung einer Indvidualbeschwerde nach Art. 34 EMRK anzurufen sind.[136] Wird ein Verfassungsgericht durch die Umstände der Bestellung seiner Richter oder die Ausgestaltung des Amtes in einer Weise in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt, dass Rechtsbehelfe an dieses nicht mehr als effektiv angesehen werden können, müsste die Prozesseinrede der Nichterschöpfung des Rechtsweges scheitern. Umgekehrt kann die Beschwerdefrist von sechs Monaten versäumt werden, wenn ein Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde an ein nicht unabhängiges und effektives Verfassungsgericht erhoben hat.

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