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4. Beschwerdebefugnis
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Die Zulässigkeit der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde wird in den Verfassungen und Verfassungsgerichtsgesetzen regelmäßig von dem Vorliegen einer Beschwerdebefugnis abhängig gemacht, unabhängig davon, ob es sich um eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde oder eine Verfassungsbeschwerde gegen einen Einzelakt, insbesondere eine Urteilsverfassungsbeschwerde handelt. Der Beschwerdeführer muss geltend machen können, dass er durch die fragliche Regelung oder Maßnahme unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen ist.[179] Dieses Erfordernis der subjektiven Betroffenheit entspricht der gemeineuropäischen Konzeption der Individualbeschwerde als Instrument primär zur Verteidigung individueller Rechtspositionen, wie sie sich in Art. 34 EMRK widerspiegelt. Handelt es sich um eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde, so muss zusätzlich dargetan werden, dass der Beschwerdeführer bereits von der Norm selbst in seinen Grundrechten verletzt worden ist, und nicht erst durch deren Vollzug.[180]
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Eine nennenswerte Ausnahme von dem subjektivrechtlichen Ansatz stellt vor allem das belgische Verfassungsprozessrecht dar, das für die Nichtigkeitsklage von privaten Klägerinnen und Klägern gegen Rechtssätze unter Rückgriff auf das entsprechende Institut des französischen und belgischen Verwaltungsprozessrechts lediglich ein „Klageinteresse“ (intéret à agir) fordert. Die klagende Person muss darlegen, dass die mit der Nichtigkeitsklage angegriffene Bestimmung auf sie anwendbar ist, aber auch aufzeigen, inwiefern sie sich nachteilig auf sie auswirkt oder ihr einen Schaden zufügen könnte. Ob dieser Maßstab wirklich weniger streng ist als die von den meisten Verfassungsgerichtsgesetzen geforderte Glaubhaftmachung der Verletzung eigener Grundrechte erscheint zweifelhaft, zumal die vom belgischen Verfassungsgerichtshof zur Konkretisierung dieses Maßstabs herangezogenen Kriterien sich kaum von denen zu unterscheiden scheinen, die andernorts bei der Prüfung der Beschwerdebefugnis im Verfassungsbeschwerdeverfahren Anwendung finden.[181]
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Hingegen ist die echte Popularklage (Bürgerklage) gegen Gesetze auch in Ungarn aus dem Arsenal der Verfassungsgerichtsbarkeit verschwunden und durch die Urteilsverfassungsbeschwerde ersetzt worden. Zwar ist nach der Neuregelung eine Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung auch dann zulässig, wenn die Verfassungswidrigkeit nicht auf der fehlerhaften Auslegung und Anwendung der Norm durch das Gericht, sondern unmittelbar auf der Norm selbst beruht. Allerdings muss der Beschwerdeführer auch in diesem Fall, anders als früher bei der actio popularis, darlegen, dass er in seinen Grundrechten verletzt ist.[182]