Читать книгу Handbuch Ius Publicum Europaeum - Monica Claes - Страница 197
6. Entscheidungswirkungen
Оглавление110
Soweit es sich bei der Individualbeschwerde um eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde handelt, sind die Vorschriften über die Form und die Rechtswirkungen von Entscheidungen im Verfahren der Normenkontrolle regelmäßig unmittelbar oder entsprechend anwendbar.[184] Bei der Urteilsverfassungsbeschwerde stellt sich hingegen die heikle Frage, ob das Verfassungsgericht darauf beschränkt sein soll, die Unrichtigkeit der vom Gericht in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Verfassungsauslegung festzustellen oder ob ihm die Befugnis zugesprochen wird, die fehlerhafte Gerichtsentscheidung aufzuheben und die Neuverhandlung der Rechtssache anzuordnen. Es liegt auf der Hand, dass die zweite Lösung einen erheblich weitergehenden Eingriff in die Autonomie der ordentlichen Gerichtsbarkeit darstellt und das Verfassungsgericht auch formell zu einem Revisionsgericht macht. Es ist daher nicht überraschend, dass sie nur in Deutschland explizit Aufnahme in die Verfassungsgerichtsordnung gefunden hat (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). In anderen Ländern sind hingegen Bemühungen, den bindenden Charakter verfassungsgerichtlicher Entscheidungen im Verfahren der Urteilsbeschwerde für die Fachgerichte gesetzlich zu verankern, am Widerstand der Fachgerichte gescheitert.[185] Das spanische LOTC, das sich sonst weitgehend am deutschen Modell der Verfassungsbeschwerde orientiert, bestimmt seit 2007 ausdrücklich, dass sich das Verfassungsgericht für den Fall, dass einer Urteilsverfassungsbeschwerde stattgegeben wird, auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit und die Wiederherstellung der verletzten Rechte beschränkt „und sich jedweder weitergehenden Erwägung über das Verhalten der Rechtsprechungsorgane enthält“[186].