Читать книгу Steh-auf-Frauchen - Monika Kunze - Страница 7

5. Gulasch zusammenflicken?

Оглавление

Motorengeräusch und Stimmen verschwammen ineinander. Arzt und Sanitäter unterhielten sich offenbar angeregt. Die Worte klangen mal laut, mal leise, mal erregt, mal ganz ruhig, aber verstehen konnte Marlene nur Bruchstücke. Der Sinn der Wörter und Sätze wollte sich ihr nicht erschließen.

Zu oft versank sie in Dunkelheit und Stille, um dann irgendwann wieder in gleißendes Licht geschleudert zu werden. Das schmerzte so heftig, dass sie glaubte, es nicht länger ertragen zu können.

Wo genau jene Schmerzen herkamen, hätte sie allerdings nicht zu sagen gewusst.

Es fragte sie auch niemand danach.

Ganz deutlich hörte sie jetzt, wie jemand an eine Scheibe klopfte. Dann war ein Quietschen zu vernehmen … hatte jemand das Fenster zur Fahrerkabine aufgeschoben?

»Was ist los?«, kam es von dort.

Die Frage schien Marlenes Vermutung zu bestätigen.

Ganz dicht neben ihr antwortete ein Mann: »Nix ist los, aber mach doch mal das Horn aus, das zerrt ja an den Nerven!« Und nach einen winzigen Pause: »Ich bezweifle sowieso, dass jemand dieses Häufchen Gulasch jemals wieder zusammenflicken kann.«

Marlene hatte das Gefühl, dass sie soeben von einem Hieb mitten ins Gesicht getroffen worden war. Sie konnte es einfach nicht fassen.

»Na, na«, sagte ein anderer schnell mit mildem Vorwurf in der Stimme.

»Ach, die Kleine, die hört doch nichts«, tönte wieder die Stimme des Ersten.

Gleichzeitig spürte Marlene, wie jemand sie leicht an der Schulter berührte. Aber das konnte sie nun auch nicht mehr besänftigen.

Ihr Herz begann zu rasen. In ihrer heiß aufsteigenden Wut wollte sie schreien: »Oh doch! Ich kann alles hören – und zwar sehr gut! Gulasch?! Von wegen! Ich werde es euch schon noch zeigen!«

Aber über ihre Lippen kam statt eines lautstarken Protestes gegen jene zynische Bemerkung nur wieder so ein schwaches Gurgeln, wie sie es schon einmal von sich gegeben hatte, als sie, gleich nach dem Unglück, etwas sagen wollte. Allerdings war das Geräusch diesmal laut genug, um die beiden Ärzte aufhorchen zu lassen.

»Sie steht unter Schock«, konstatierte Dr. Grunert.

Keiner der Männer konnte ahnen, was in diesem Moment in Marlene vorging. Sie war ganz und gar von einem einzigen übermächtigen Gedanken erfüllt: LEBEN! Nur das wollte, nein, musste sie! Unbedingt leben!

Wie hatte doch die alte Zigeunerin gesagt, als sie dreizehn war?

Immer, wenn Katastrophe vorbei, dann musst du aufrichten dich – wie ein Stehaufmännchen!

Aber war denn die Katastrophe vorbei? Noch schien sie davon eher sehr weit entfernt zu sein. Doch sie würde kämpfen, das wusste sie jetzt. Kämpfen, wie sie es immer getan hatte. Sie hatte ja das beste Motiv, das eine Mutter nur haben kann: ihre drei Kinder.

Sie sind die Einzigen, die mich wirklich brauchen, dachte sie, während sie sich verzweifelt gegen die endgültige Dunkelheit wehrte. Nicht umsonst sagte man ja, dass der Schlaf der kleine Bruder des Todes sei.

Ihr geschundener Körper summte, dröhnte, schmerzte.

Alex kam ihr wieder in den Sinn. Hatte ihn nicht jemand durch die Luft fliegen sehen? Oder hatte sie sich verhört? Ob er womöglich auch Schmerzen hatte? Wo mochte er jetzt sein?

Fragen über Fragen wirbelten in ihrem Kopf durcheinander. Aber niemand konnte sie hören oder gar beantworten.

Als sie fühlte, wie die Dunkelheit sich anschlich, um sie erneut zu überfallen, hatte sie mit einem Mal keine Kraft mehr, dagegen anzukämpfen. Geradezu dankbar ließ sie sich fallen. Vielleicht würde sie ja wieder neue Kraft schöpfen können, während sie schlief.

Steh-auf-Frauchen

Подняться наверх