Читать книгу Mine | Erotischer SM-Roman - Myriam Brixton - Страница 8
ОглавлениеKapitel 6
Erinnerungen, die ich längst verschüttet hatte, kamen in mir hoch. Ich war plötzlich wieder in jenem Heim, in welches ich nach dem Unfall meiner Eltern gebracht worden war. Ich war erst drei Tage dort gewesen, als mich der Betreuer nachts zu sich geholt hatte. Er brachte mich in sein Zimmer. Der Vorhang war zugezogen, sodass man von außen nicht hineinsehen konnte. An der Wand hingen Zeichnungen, die von Kindern gemalt worden waren. Zeichnungen von windschiefen Häusern und Tieren, deren Artenzugehörigkeit nur zu erraten war. Ein Bücherregal, in dem alles kreuz und quer lag, war an der Mauer festgenagelt. Das Bett war ungemacht. Er knipste auf dem Schreibtisch die Tischleuchte an und setzte mich darauf. Ich hielt die Luft an, irgendetwas war in diesem Moment nicht in Ordnung. Was das war, verstand ich erst, als er mir das Nachthemd über den Kopf zog. Er drohte mir, mich in den Keller zu sperren. Ein Sterbenswörtchen und ich säße in der feuchten Finsternis. Niemandem würde es auffallen, wenn ich verschwunden wäre. Es waren ohnehin viel zu viele Kinder hier. Ich war damals zehn Jahre alt. Ich glaubte ihm jedes Wort. Erstarrt saß ich vor ihm. Ich zitterte, obwohl mir nicht kalt war und es kostete mich immense Kraft, Luft in die Lunge zu ziehen. Meine Augen brannten. Sie wollten sich nicht schließen lassen. Sie hörten nicht auf, ihn anzustarren. Diesen Mann, der die nächsten Jahre auf mich aufpassen sollte. Ich wollte weinen, aber es ging nicht. Ich wollte »Bitte« sagen, aber auch das kam nicht heraus. Er bog den Draht der kleinen Tischlampe wie einen Spot zurecht, bevor er mit beiden Händen meine Beine auseinanderdrückte. Die Zeit hatte angehalten. Ich erinnerte mich an seinen Blick. Seine Augen traten hervor, sein Mund öffnete sich. Er sah aus, als hätte ihn von hinten eine Eisenstange getroffen. Er verwandelte sich in einen Zombie und nahm mich in seinem Horrorfilm gefangen. Ich erinnerte mich an den Augenblick, als er die Schreibtischlade aufzog und eine Kamera hervorholte. Die andere Hand griff nach mir. Ich wollte weg. Ich wollte schreien. Ich wollte treten. Nichts davon tat ich. Ich rührte mich nicht. Auch nicht, als seine Finger in mein Inneres drangen. Klick. Klick. Klick. Ich weiß nicht, wie viele Finger es gewesen waren, die sich wie Tentakel in meine geheimste Stelle gebohrt hatten. Nur das Klicken der Kamera nahm ich wahr. So, als wollten die Töne mich warnen, bloß den Mund zu halten. Er hob mich vom Tisch. Ich war eine Barbie. Meine Körperteile ließen sich verbiegen. Der Puppenspieler krümmte mich in jede Stellung. Nur meine Augäpfel blieben selbstbestimmt und richteten ihren Fokus genau dorthin, wohin mein »Ich« nicht sehen wollte. Es war das erste Mal, dass ich einen erigierten Penis sah. Mit einem Griff hatte er den Knoten seines Bademantels aufgezogen und sich in meinen Mund geschoben. Ich würgte und krümmte mich reflexartig nach vorne. Mein Hals war zu kurz. Ich war gefangen in einer Welt aus Brechreiz, aus Panik und der Gefahr, zu ersticken. Die Hand des Zombies hatte sich in den Haaren der Puppe festgekrallt. Die Geräusche, die von oben kamen, waren dämonisch. Es war das Böse, das sich aus der Finsternis anschlich. Lauter und lauter wurde es. Der Horror kam immer noch näher. Es waren die Klauen des Teufels, die mich festhielten! Ich konnte seine Hufen sehen! Und plötzlich war alles still. Alles ruhig. Alles wie erstarrt. Nichts regte sich mehr, so als wäre der Dämon zu Eis erstarrt. Ich übergab mich vor seinen Augen.
Wie ich damals zurück in mein Bett gekommen war, weiß ich nicht mehr. Hatte er mich getragen? War ich alleine gegangen? War ich jemandem auf dem Flur begegnet? Was war danach geschehen? Nichts davon war in meinem Gedächtnis geblieben. Die Stunden danach waren ausgelöscht. Erst, als ich mich mit meiner schwarzen Tasche auf der Straße wiederfand und keine Ahnung hatte, wohin ich gehen sollte, erst da setzte meine Erinnerung wieder ein. Wie viel Zeit dazwischen vergangen war und womit ich diese verbracht hatte, weigerte sich mein zentrales Nervensystem, wiederzugeben.